Baltikum-Trip Teil 2: Pärnu & Soomaa Nationalpark, Estland, 18.05.2012 - 19.05.2012 in Pärnu (EST), - Bericht von Fö
Baltikum-Trip Teil 2: Pärnu & Soomaa, Estland, 18./19.05.2012
Strand. Die Innenstadt von Pärnu ist recht übersichtlich, im Flussdelta gelegen mit einer übersichtlichen Fußgängerzone und nur wenige Minuten Fußmarsch zur Ostsee. Strahlend blauer Himmel, aber bitterkalter Wind. Demzufolge (und wegen keine Hauptsaison, ihr wisst) wenig los, außer ein paar Kiter (jetzt hätt ich fast "Kiffer" geschrieben).
Keine Ahnung, was diese Skulpturen darstellen sollen. Aber ihr macht euch sicher eure eigenen Gedanken.
Der Pärnu-Fluss führt durch die Stadt und trennt City- von Vorstadtflair. Wobei wir uns die Vororte gar nicht angeschaut haben. Fies. Erstes Bier heute in nem Café, dazu gibts Knoblauchbrot. Scheint ne Spezialität hier zu sein: Frittiertes Dunkelbrot mit Knobi-Käse-Quark-Paste. Lecker! Außerdem hält man sich damit Vampire und lästige Mitmenschen fern.
Die Fußgängerzone besteht hier aus einer einzigen Straße, an der sich die Kneipen und Boutiquen säumen. Keine Ahnung was "Rüütli" heißt, aber der Straßenname ist in Estland ziemlich verbreitet. Wir probieren irgendwelche Hiphop-Gangsta-Moves, merken aber dann, dass wir die überhaupt nicht können.
Abends Vortrinken im Hostel. Es gibt 1-Liter-Dosen im Supermarkt, die angeblich besser schmecken als Faxe. Ich bezweifle das, probiere aber nicht.
Abends ins rustikale Lokal gegenüber. Echt nett, alles. Bis auf den Flachbildfernseher über unseren Köpfen und den Unmengen Einheimischer, von denen man nicht sagen kann, ob sie auf uns oder den Fernseher starren.
Unser Hostel ist eher steril-hotelartig gehalten, einen Aufenthaltsraum gibt es nicht - aber Dorms (Backpacker-Sprech für Schlafsäle), und in unserem pennt ein älterer Herr. Also wird nachts im Flur gesoffen. Zwei Finnen sprechen uns an. Einer kichert nach unserer Auskunft, aus Deutschland zu kommen, irgendwas von Auschwitz. Dem anderen ist das immerhin spürbar unangenehm.
Nächster Tag! Soomaa Nationalpark, etwa 40 Kilometer von Pärnu entfernt. Man kann irgendwelche Trips buchen, die aber recht teuer sind, oder auf eigene Faust hin. Bus fährt nur einmal am Tag, also entscheiden wir uns für die flexibelste und beste Variante: Mietwagen! Leider kein Benz, aber Bönx kann ihn trotzdem fahren.
Es gibt verschiedenste Wanderungen mit familientauglicher Länge. Wir starten mit dem recht kurzen Biberpfad alias Koprarada. Durch Wald und Matsche, teilweise über Holzbohlenwege. Wetter heute ist dezent brutzelig. Schön, dass Schatten erfunden wurde.
Wie gesagt, Biberpfad. Man sieht noch Spuren der fleißigen Viecher, sie leben und arbeiten aber inzwischen woanders. Überall abgenagte Bäume, teilweise auch umgestürzte. Staudämme, Biberbauten, und so weiter. Was das alles ist, darüber erzählen Infoschilder auf estnisch und englisch.
Wasser. Staudamm. Wir frühstücken auf einer der aufgestellten Bänke. Irgendwie schon ganz cool, trotz der schönen Gegend und des herrlichen Wetters so ziemlich die einzigen zu sein, die heute diesen Weg latschen.
Nächster Stopp: Karuskose. Hier startet nicht nur ein weiterer Wanderweg, auch eine der für diese Gegend typischen Hängebrücken kann man sehen. Schaukelt ein wenig, wenn man drauf steigt. Ist aber alles im Rahmen. Bis man ein paar Meter weiter geht.
Die Wackelei wird mit jedem Meter stärker, aber das Highlight an dieser Brücke ist eindeutig das "Geländer". Das dient vielleicht der Stabilität der Brücke, aber nicht der des Menschen. Wenn man erstmal drüben ist, kann man sich wunderbar über die skeptischen Leute lustig machen, die anschließend rüberwanken.
Egal, nächster Pfad. Führt mal wieder durch Wald und über Holzbohlen, diesmal führt er aber tatsächlich ins Moor! Dass der Waldboden feucht ist, lässt sich ja schon vorher erahnen...
...aber dass wir dann an so einer Steppe rauskommen? Tja, muss wohl. "Soo" heißt übrigens "Sumpf" und "Maa" Land. Ein Hochmoor halt. Abseits der Holzwege laufen wird nicht empfohlen.
Manchmal ist auch etwas mehr Wasser da. Kleine Seen hier und da laden zum Verweilen ein. Schöne Gegend! Kurz die Füße ins kalte Nass. Das Wasser ist pechschwarz und mehrere Meter tief. Wir warten auf Killerkrokodile und Frankenfische, kommt aber nix. Hat uns die Filmindustrie etwa jahrelang angelogen?
Da hilft nur eines: Nachgucken. Das Wasser ist nicht nur (gefühlt unendlich) tief und undurchsichtig, sondern auch kalt, und wenn ich kalt schreibe, dann meine ich das auch! Moorwasser ist übrigens unheimlich gut für die Haut. Helena meint, ihre Haare hätten sich anschließend auch so weich wie noch nie angefühlt. Wir Ökos, wir!
Mutwillig laufe ich abseits der Pfade, immer gewiss, dass man mit jedem Schritt weiter einsackt. Und dass das Wasser darunter eventuell auch kalt, schwarz und tief sein könnte...nuja. Lektion für heute: Nicht zu ruckartig auf Moor laufen!
Achja, letzte Aktionen waren übrigens auf unserem dritten Wanderpfad: Dem Riisa õpperada. Nächstes Ziel: Die Hängebrücke in Jõesuu. 67 Meter lang, augenscheinlich stabiler als die letzte, aber trotzdem äußerst wacklig. Der reißende Fluss darunter ist auch ziemlich spaßig. Schön, dass es ein Geländer gibt. Nicht wahr, Kiki?
So! Mehrere Stunden im Soomaa Nationalpark verbracht, geiler Trip! Nur empfehlenswert für alle Moorbegeisterten, die wir ja mittlerweile sind. Und diesmal ist das Ganze nichtmal abgebrannt! Äh ja, egal, Heimweg. Hier Haus mit grün.
"Heim" heißt in diesem Fall unser Hostel in Pärnu. Wir essen was, dazu wird geöffnet. Estland hat übrigens ne reichhaltige Auswahl an alkoholfreien Bieren, darunter auch Dunkelbier. Falls es wen interessiert...ach, vergesst es halt.
Noch ein Sightseeingpunkt zum Abhaken: Der Wellenbrecher von Pärnu. 2km weit ragen die Felsaufschüttungen ins Meer hinein. Irre. Wir sind ja eh grad in Übung, was latschen betrifft. Also hin. Am Ende steht ja schließlich so ne Art Leuchtturm. Und bald ist Sonnenuntergang! Voll romantisch!
Abendgestaltung. Im Fernsehen läuft irgendeins dieser unvergesslichen historischen Fußballereignisse, die zur Zeit so ungefähr jeden zweiten Tag laufen. Gibt sogar Kneipen, die das zeigen. Und Leute, die hingehen. Schlossi und Fö suchen nach Alternativveranstaltungen. "Rockin Lady" im "Kuursaal". Rockabilly.
Entpuppt sich als Paartanzveranstaltung mit Alleinunterhalter. Wir gehen trotzdem nicht rein, lieber noch ein Bier vom Hostel holen - und stutzen, als wir bemerken, dass direkt vor diesem ne Bühne aufgebaut ist!
Das "Kolheti" hat irgendwas zu feiern und wir kriegen noch die letzten Takte der auftretenden Band mit. Carlos Ramirez scheinen sie zu heißen (wir sind stolz auf unser estnisch). Wir bemerken zunächst, dass die tatsächlich rockig sind, und dann, dass sie gerade Rage Against The Machine covern. Geil.
Selbstverständlich "Killing in the name". Geil! Ich bin spontan begeistert, und 2-3 Headbanger im Publikum ebenfalls, während die älteren Herrschaften weiter hinten sitzen und Kuchen mit Sekt genießen. Wohlgemerkt: Wir haben 23 Uhr und der Lärm der Band schallt über die ganze Stadt!
Gibt dann noch ne letzte Zugabe, den Hauptteil scheinen wir verpasst zu haben. Mist. Egal, hauptsache die Mission "Livemusik in Estland erleben" abgehakt. Kurz noch rüber zur Rockin Lady. Der Alleinunterhalter ist weg, die Country/Rockabilly-Musik gar nicht so schlecht - aber trotzdem noch Paartanz. Zurück zu den anderen. Und morgen weiter nach Lettland.