Touché Amoré, Between Bodies, Trauma Ray, 14.02.2025 in Münster, Sputnikhalle - Bericht von Oberbüscher
Touché Amoré, 14.02.2025 in Münster
Die erste Vorband Between Bodies hat mir ehrlich gesagt im Vorfeld nichts gesagt. Die Sängerin und der Drummer kommen wohl aus Toronto, Kanada. Bass und Leadgitarre aus Köln und Paderborn, NRW. Irgendwoher kenne ich den Blonden auch.
Auf Nachfrage wird mir strafend erläutert, dass die deutschen Bandmitglieder in der Kölner HC-Band GIVER spielen, die ja zur Zeit absolut durch die Decke gehen. Ich kann gar nicht sagen, welches hier das Nebenprojekt sein soll. Between Bodies machen vergleichsweise getragenen Emo und Pop-Punk. Die kanadische Sängerin bringt eine Idee von Folk mit rein.
Zur zweiten Vorband treffe ich Julius von Travels and Trunks und wir schauen uns Trauma Ray von der Seite an. Schon im Vorfeld wurde mir die Band aus Texas mehrfach angepriesen. Eine Blitzrecherche auf der Hinfahrt hat ergeben, dass die Band noch relativ jung ist und letztes Jahr ihr Debutalbum rausgebracht hat.
Das Genre ist wohl am ehesten mit Shoegaze zu umschreiben und tatsächlich wird hier wirklich viel auf die Schuhe gestarrt. Der Sänger nimmt seine Hoodiekaputze das ganze Konzert nicht ab. Ist wohl so ein Genreding. Dann eben mehr Aufmerksamkeit aufs Gehör. Drums sind sehr dominant aber ich sehe den, zumindest von unserer Position nur kurz als der Bassist mal zur Seite tritt. Das hat schon fast was von Doom Metal. Gesang klingt iwie nach Desert Rock. Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich passt oder ich das nur denke, weil ich jetzt weiß dass die Band aus Texas kommt.
Touché Amoré eröffnen mit „Nobody’s“ von der neuen Platte, was auch direkt begeistert angenommen wird. Finde ich gut, aber ich hätte „Hal Ashby“ (aktuelle Single) gewählt. Danach erstmal ältere Songs mit „Nine“ vom Debut „Dead Horse“ und generell bunte Mischung durch die sechs Alben.
Erstes Highlight ist tatsächlich „Reminders“, eine der poppigeren Singles des letzten Albums. Die Menge tobt und ist offensichtlich ganz anderer Meinung als meine Fahrgemeinschaft.
Der Drummer Elliot Babin befindet sich in Elternzeit und wird auf dieser Tour durch Sam Bosson von Trash Talk und Ceremony ersetzt. Auf Insta gab es im Vorfeld einen süßen Post, der die beiden als Jugendliche beim Skaten zeigt und aktuelle Aufnahmen, bei denen Elliot Sam die Drumparts im Proberaum beibringt. Ich mag sowas.
Der Preis für das beste Outfit geht eindeutig an den Lead-Gitarristen Nick. Passend zu seiner türkis-glitzernden Jazzmaster trägt er ein mit Pailletten bestecktes Western-Outfit und Cowboy-Boots, die ich eher bei The Killers und Springsteen erwartet hätte. Passt aber zum ikonisch anmutenden Hollywood-Habitus, den sich die Band mit den letzten Jahren aufgebaut hat.
Weniger enthusiastisch wirken Clayton an der Rhythmusgitarre und Tyler Kirby am Bass, die sich defensiv an der linken Bühnenseite verschanzt haben. Tyler hat die Haare ab und als jemand aus der ersten Reihe ein Foto von ihm schießen will, dreht er sich weg und droht wütend mit dem Zeigefinger. LA Attitüde?
Die Hauptaufmerksamkeit liegt aber sowieso die meiste Zeit auf Jeremy. Der mittlerweile 41-Jährige schreit, springt und tanzt auf der Bühne und im Publikum als würde morgen – oder besser gesagt jetzt gerade – die Welt untergehen. Ich bin beeindruckt, wie fit er ist und dass seine Performance seit meinem ersten Touché-Konzert (Dortmund, 20.5.2014) in keinster Weise nachgelassen hat.
Über die Jahre hatte ich Jeremy während oder im Anschluss an Konzerte immer als sehr nahbar erlebt. In Dortmund haben wir uns im Anschluss an das Konzert über Chicagoer Punkkneipen ausgetauscht, in Oberhausen bei Modern Life is War gemosht und in Bochum „This is survived by a Love“ zusammen ins Mikrofon gebrüllt.
Auch heute springt er ins Publikum, umarmt Gäste und stagedived mehrmals. Die Stimme bleibt über das gesamte Konzert stabil-gebrochen und ich bin immer wieder beeindruckt, wie lange er die Schreierei schon durchhält. Das ist nicht alles Technik, das ist Leidenschaft. Wenn man Jeremy abseits von Konzerten sprechen hört, hat man den Eindruck, dass die Stimmbänder schon langfristig in Mitleidenschaft gezogen wurden. In seinem Podcast „The First Ever“ spricht er relativ offen auch über Probleme. In den kommenden Tagen wird er eine UK-Show stimmbedingt absagen.
Hier gibt er aber nochmal alles und man hat, wie immer, das Gefühl, dass er sein ganzes Seelenleben auf der Bühne ausbreitet. Publikumslieblinge sind definitiv „New Halloween“, „Palm Dreams“ und „Flowers and You“, alle vom vierten Album „Stage Four“, das autobiographisch den Tod seiner krebskranken Mutter verarbeitet.
Mein Lieblingsalbum ist aber definitiv „Is Survived By“, das in der Setlist leider etwas unterrepräsentiert bleibt. Persönliches Highlight ist definitiv „The Harbour“, was auch der Großteil der Menschen um mich rum zu teilen scheint. Trotzdem bin ich überrascht, wie viele junge Menschen die Band auch vor die Bühne holt. Kein klassisches HC-Publikum, eher Student:innen in Karohemden. Das hatte ich iwie anders in Erinnerung, aber why not. Auf den neueren Platten finden sich ja auch immer mal wieder Songs, die ich eher als Indie einordnen würde.
Zum legendären Klassiker „~“geht’s dann nochmal richtig zur Sache und ich bequeme mich vor die Bühne, um zu „Pathfinder“ ins Mikro zu schreien: „...that I'm not growing up, that I'm not giving in!“
Einzige Zugabe dann „Amends“ und die Band ist einer gefühlten Stunde mit immerhin 22 Songs durch. Ich hätte mir noch „Is Survived By“ gewünscht, aber will es für heute gut sein lassen.
Am Merchstand erklärt Gitarrist Nick in seinem Pailletten-Hemd, dass die Band in der vorherigen Nacht erst aus Dänemark mit der Fähre übergesetzt hat und entsprechend K.O. sei. Es ist generell beachtlich, wie lang und weit die mittlerweile touren. Matthes kauft das Tourplakat und lässt es von Nick signieren. Marcin kauft das „Limelight"-Pedal zu einem guten Preis. Wir sind Fans und freuen uns auf das siebte Mal!