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Slime:
3!+7hoch1

Nach "Zwei", das sich viel um das Leben und die Erlebnisse des "neuen" Sängers Tex Brasket drehte, ist nun das neue Album von SLIME mit dem kryptischen und schwer auszusprechenden Namen 3!+7hoch1 erschienen. Dies ist wohl eine Formel, die am Ende die Zahl 13 ergibt und genau so viele Titel hat das neue Werk. Wenn es nach mir geht, hätte man es auch gleich so nennen können.

Wenn es nach mir geht, hätte man die Band allerdings auch gleich umbenennen dürfen, nachdem Ex-Sänger Diggen den Abflug gemacht hat. Zu sehr war er für mich Aushängeschild der Band, die mich seit meiner Jugend begleitet und die maßgeblich an meiner Punk-Sozialisation und auch der Bildung einer politischen Haltung beteiligt war. Zu groß erschien mir der Schritt, einen so bekannten und charismatischen Sänger auszutauschen. Dies mag einigen Bands gelungen sein (IGNITE, TURBONEGRO), bei vielen anderen erscheint es mir jedoch als unvorstellbar, oder, wenn bereits geschehen, degradierte sich die betroffene Band oftmals zu einer Band die ihre eigenen Stücke covert (DEAD KENNEDYS, SEX PISTOLS). So sah ich das auch bei SLIME mit Dirk Jora. Zunächst fiel es mir also schwer, die Band in ihrer nun dritten "Reinkarnation" mit ihrem neuen Sänger anzunehmen. Zudem war mir ihr neuer Sound zu aufgeblasen, breitbeinig und rockig geworden.
Dafür musste ich beim ersten Hören der neuen Songs mit Tex feststellen, dass die Texte durch sein Wirken wieder mehr an Tiefe gewonnen hatten, weg war das Parolengedresche und die reine Politpunkschiene, die mit der Zeit zum Korsett wurde. An deren Stelle rutschten nun Songs über Obdachlosigkeit, in der sich Tex lange befand. Schnell kehrte sich die anfängliche Ablehnung in eine Mischung aus Akzeptanz und Ignoranz um. Als mit Armes Deutschland die erste Single erschien, die mich überraschend schnell packte, beschloss ich, den Versuch zu wagen, mich auf die "neuen" SLIME einzulassen. Das zuletzt vorherrschende Desinteresse ermöglichte es mir dabei, ohne große Erwartungen an das Album heranzugehen. 

Bleiben wir doch noch etwas bei den Texten auf 3!+7hoch1. Diesmal sind diese nämlich nicht so sehr von Tex persönlichen Erlebnissen geprägt wie auf "Zwei", sondern decken ein größeres Themenfeld ab. Da gibt es gleich an zwei Stellen Kritik am Medienverhalten vieler Menschen bzw. allgemein an sozialen Netzwerken und allem, was damit zu tun hat (Was glaubst du, Ich lösch mich). Es gibt ein klassisches Liebeslied nach Bonnie & Clyde Manier (Rotterdamm), Selbstreflexion (Monster), Durchhalteparolen (Bock auf Leben) und der Umgang mit einem weitreichenden Kollaps wird gedanklich verarbeitet (Euch will ich sehen). Daneben wird der Umgang der Menschen mit ihrem Planeten thematisiert (Evolution) oder es wird neben anderen politischen Kommentaren zur Totalverweigerung der Kleinen gegen die Großen aufgerufen (Generalstreik). Dabei verleiht der Umstand, dass SLIME mit Tex nun einen Sänger haben, der seine Texte auch selbst schreibt, ein spürbar höheres Maß an Kreativität. Diese Kreativität macht sie, wie ich finde, zu einer vollwertigeren Band als sie es noch mit Diggen waren, der so gut wie nie selbst textete, sondern seine Zeilen zuletzt von Ghostwriter:innen erhielt oder sie bei einem lang verstorbenen Anarchisten abschrieb. Gerade auf "Hier und Jetzt" waren dadurch sehr durchschnittliche (Ernie und Bert in Guantanamo) bis cheesy Songs (Let's Get United) zu finden. Hier hingegen sitzen die Refrains und Punchlines immer zu 100%, sind mitreißend und warten nur darauf, mitgesungen zu werden. Es ist auch nicht allein das, was Tex singt, sondern auch die Art, wie er singt, immer sehr kraftvoll und doch kratzig und rau. An mancher Stelle schwingt Melancholie mit, an anderer gleicht es schon fast Rap, wie beim Opener Armes Deutschland. Somit bereichert er die Band gesanglich im Gegensatz zu Diggen um weitere Facetten. Werfe ich einen Blick auf den Sound der neuen SLIME, muss ich sagen, dass mir der im Principal Studio im Münsterland geschusterte Klang, wie eingangs schon erwähnt, oft zu breit und fett ist. So erging es mir bereits bei den Toten Hosen, die hier seit "In aller Stille" aufnehmen. Für die Band war die Zusammenarbeit damals eine Frischzellenkur, für meine Ohren war es der Todesstoß. Zwar kommt die Klarheit der Aufnahmen Tex' Gesang sehr entgegen und auch die Drums hören sich oft gut an, insgesamt ist es mir aber zu viel Stadionrock und zu wenig Punk. Bei den Songs mit hohem Tempo kann ich diesen Schritt noch mitgehen, bei Balladen wie Rotterdamm oder der schon etwas hymnischen, aber schlagerhaften Nummer Saufen ist mir dann wirklich zu viel Butter auf dem Brot. Auch Elfs Gitarrenspiel erzeugt bei mir ambivalente Gefühle. An einigen Stellen fühle ich mich positiv an "Schweineherbst" oder "Viva la Muerte" erinnert (Das fuckt mich ab, Ich lösch mich). An vielen anderen Stellen wurde mir aber auch hier zu dick aufgetragen. Da quietschen die Solis und gehen in Richtung Metal (Zeit zu gehn), sowas fuckt mich dann ab! Meiner Meinung nach wäre hier etwas weniger mehr gewesen. Das gilt auch für die Backingvocals, die, wenn sie aus dem Nichts auftauchen, irgendwie unnötig wirken. Der kurze Ausflug bei Bock auf Leben in den Reggae fühlt sich derweil vertraut an aber ob der Drumcomputer bei Evolution nun überflüssig oder eine Bereicherung sind, kann ich abschließend noch nicht sagen.

Was ich abschließend sagen kann, ist, dass ich mittlerweile meinen Frieden mit dem aktuellen Gewand von SLIME gemacht habe und sie jetzt wieder wie eine ernstzunehmende und als eine der Kreativität zugeneigte Band wahrnehme. Auf ihrer aktuellen Platte finden sich mit Armes Deutschland, Ich lösch mich, Das fuckt mich ab und Euch will ich sehen wieder Songs, die ohne Umschweife in meine persönliche Playlist geflogen sind, was ich von den Songs auf den letzten beiden Alben mit Diggen nicht behaupten kann. Ich denke, dass SLIME mit dieser Platte ihre Fanbase noch weiter ausbauen und verjüngen werden. Dies ist essenziell wichtig, wenn die Band noch einige Zeit weitermachen möchte, da sie ansonsten Gefahr laufen würde, sich immer wieder zu wiederholen. Am Ende wären sie eine Gruppe alter Menschen gewesen, die ihre Songs aus längst vergangenen Zeiten, für ebenso alte Herren und Damen spielen, damit diese sich für einen Abend mal wieder jung fühlen können. Quasi Langeweile und Kreativlosigkeit in höchster Vollendung. Vor allem haben wir in der Punkszene von solchen Bands nun wirklich schon genug!

Peter 09/2025
Hörprobe:
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Stil: Punk, Deutschpunk
Herkunft: Hamburg
Slime - 3!+7hoch1

Stil: Punkrock, Rock
VÖ: 08.08.2025, LP, CD, Slime Tonträger


Tracklist:
01. Armes Deutschland
02. Euch will ich sehn
03. Evolution
04. Was glaubst du
05. Rotterdamm
06. Monster
07. Saufen
08. Generalstreik
09. Ich lösch mich
10. Bock auf Leben
11. Schatten
12. Das fuckt mich ab
13. Zeit zu gehn



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