Pressure Air Festival: Captain Planet, City Light Thief, Love A, Nepomuk, 24.11.2012 in Oberhausen, Druckluft - Bericht von Fö
Pressure Air Festival, 24.11.2012 in Oberhausen
Erste Band: NEPOMUK. Aus Dortmund und Sauerland. Sachen gibt's. Den Namen hab ich schonmal irgendwo aufgeschnappt, reingehört bisher nicht - aber instinktiv unter lahmer Studentenmucke eingeordnet. Um noch ein wenig Spannung aufzubauen, äußere ich mich jetzt nicht dazu, ob diese Instinkte der Wahrheit entsprechen.
Akustik-Gedöns mit komisch anmutenden Percussion-Aufbauten, Slide-Gitarre und ähnlichen Experimenten. Meist englische Texte (am Ende auch was deutsches), Gesang zwischen wenig spannendem Lagerfeuer-Gesäusel und rauerem Vibe. Mir ist das zu wenig auffe Fresse, aber man muss der Band zugute halten, dass das nicht klingt als würden sie irgendeinem Akustik-Trend hinterher jagen - eher, als wären sie ganz von selbst auf die Idee gekommen, so klingen zu wollen. Sachen gibt's!
Für ein paar Lieder ganz angenehm zu hören, aber irgendwann senkt sich meine Aufmerksamkeitsspanne massiv. Zu wenig verzerrte Gitarren, zu wenig Geschrei, da wird höchstens mal mit dem Fuß auf den Boden gestampft. Als Opener geht das in Ordnung, aber ich bin ein wenig hin- und hergerissen, ob ich das jetzt gut finde oder doch eher nicht.
Ich kann ja mal andere Stimmen zu Wort kommen lassen. Neben mir steht Lars, der beständig die Augen rollt und "laaangweilig" in den Raum ruft, auf der anderen Seite Häbba, dem ich auch sowas wie Musikgeschmack attestieren würde - und der alles total begeistert abfeiert, sogar gelegentlich mitsingt und mir ins Ohr flüstert, dass DAS jetzt gerade der Hit der Band sei. Hm, ja, okay. Ich fasse den Auftritt mal als "nett, aber unspektakulär" zusammen, applaudiere aber trotzdem brav.
Nächste Band: "Schnubbi Schnurrbart and the LOVE A's". Doimenoik hat sich nen erstklassigen Pornobalken wachsen lassen, was den Deutschpunk-Status der Band ins Unermessliche steigen lässt. Und überhaupt - Love A sind tatsächlich ein vorzüglicher Wachmacher für den heutigen Tag! Mir ist gar nicht aufgefallen, wie sehr ich die Band vermisst habe. Hach.
Wat soll man zu der Band noch sagen, mittlerweile ja oft genug auf dieser Seite hier positiv hervorgehoben worden. Sie geben den Zuckerguss des heutigen Abends, machen Pöbeleien salonfähig und bringen selbst meine müden Beine zum Tanzen (bis die Füße bluten! Ich erwähnte es!).
Das heutige Publikum gibt sich betont zurückhaltend, aber ich glaube, das hat bei Karohemden-Trägern nix zu sagen. Echt gespenstisch: Der ganze Raum ist bis zum Anschlag gefüllt, aber geschätzte 87% stehen einfach nur da, betrachten lässig das Treiben auf der Bühne und sind außer gelegentlichem Applaudieren zu keiner Regung fähig. Ich freue mich über die restlichen 13%. Die, die böse Blicke ernten, wenn sie jemanden anrempeln. Die, die keine Scheu zeigen, beim Mitsingen die Texte zu versemmeln. Die, die wenigstens noch imstande sind, auch zu zeigen, dass ihnen die Musik gefällt.
Also: Bloß nicht nach hinten gucken. Auf der Bühne wird geschwitzt, auf den Boden gerotzt, mit Bier gespuckt - und Schnurrbart getragen (um das nochmal zu erwähnen). Dazu die wieder mal extrem mitreißende Musik des Vierers und Jörkks unverwechselbare Art, den Alltag in Sprache zu packen.
Setliste. Neue Stücke lassen auf neues Material im nächsten Jahr hoffen und alte Hits begeistern eh immer wieder aufs Neue. Mein persönliches Highlight mal wieder: "Valentinstag". Aber da gäb's auch noch genug andere Publikumslieblinge. "Individuell", "Freibad" und natürlich "Nachbarn" (wie viele Besucher des heutigen Abends haben eigentlich die Intro im Abo?)
Jörkk, langsam solltest du mal was gegen dein Schweißproblem tun. Der ganze Boden pitschnass! Man man man!
Nächste Band: CITY LIGHT THIEF! Weniger meine Musik - aber trotzdem nichts, bei dem ich einfach nur mit verschränkten Armen da stehen kann (remember the 87%?). Die Band habe ich ja zuletzt beim fantastischen Saarlopalooza gesehen - damals mit so großartigen Bands wie Love A und Captain Planet. Oh, hoppla.
Ich beobachte bei mir so ungefähr das umgedrehte Musikaufnahmeverhalten wie zuvor bei Nepomuk: Anfangs eher gelangweilt, wird die Musik nach ein paar Liedern doch irgendwie spannend und irgendwann regelrecht packend. Wow. Hatte ich so gut gar nicht in Erinnerung. Und das trotz Keyboard! Und obwohl sie aus Grevenbroich kommen!
Musik, nunja, sowas mit -core am Ende (die Beschreibung habe ich letztes Mal auch schon gebracht). Bisschen 90er Emo gemischt mit ein paar progressiven Indie-Eskapaden, hier und da bricht auch mal der Screamo hervor. Geradlinige Strukturen sucht man vergebens, stattdessen hagelt es Tempowechsel. Musikalische Vorbilder wage ich jetzt nicht zu benennen, dafür ist das einfach zu wenig mein Metier.
Kommen ganz sympathisch rüber. Sänger Benni bedankt sich, hier so gut angenommen zu werden, obwohl sie doch englisch singen und kein Punk machen und entschuldigt sich dafür, oft mit geschlossenen Augen zu singen - das sei, weil er ohne Brille eh nichts sehen kann und sich auf die Stellung seiner Füße konzentrieren muss, und nicht weil er son künstlerisch-eitler Karohemdenträger ist (okay, das mit dem Karohemd kam jetzt von mir). Ha, find ich gut.
Ja, gefällt. Und obwohl ich der Meinung war, von der Band eh nix zu kennen, gibt's doch einige Stücke, die sich in meinen Hirnwindungen festhalten. Wie "Domino Sparrow" mit seiner Redewendungs-Verzerrung "what happens in vegas just doesn't seem to stay there" oder das abschließende "Fireman" mit dem herrlichen Mitshouter "one fine morning at the end of summer". Ich glaube, der Band sollte ich auch auf Platte mal etwas mehr Aufmerksamkeit zollen.
Zu guter Letzt: CAPTAIN PLANET! Mal wieder Emo-Musik. Mit zu wenig Hass, wie Nat anmerkt. Und zu viel Hype. Das sei ihnen natürlich gegönnt, keine Frage, aber irgendwer muss ja für die erwähnten 87% des Publikums zuständig sein, hähä. Nunja, somit fällt den Hamburgern immerhin die Aufgabe zu, auch die 87% zum Tanzen zu bringen.
Und das gelingt sogar! Auch wenn's ein paar Songs braucht, bis das Publikum aus seiner Starre erwacht. Haben sich vermutlich das Beine-in-den-Hals-stehen bei den vorherigen Bands angewöhnt. Aber ich will jetzt nicht weiter über die Besucher lästern. Dann ist das eben so. Dann ist halt der Großteil wegen des Headliners da (auch irgendwie logisch). Und wenn jemand beim Konzert gerne mit verschränkten Armen irgendwo hinten rumsteht, soll er doch.
Ich schwenke mal, um die Abkehr von der Lethargie zu symbolisieren, kurz die Kamera ins Publikum. Man sieht, es ist Bewegung da. Top! Viel Gedränge, das zum Ende hin noch weiter ansteigt. Viel Textsicherheit auch bei den neuen Stücken.
Und wo wir gerade bei "neu" sind: Basti von Matula wird uns als neuer Kapitän vorgestellt, dann sind die Jungs halt jetzt zu fünft. Drei Gitarren auf der Bühne? Man kann's echt übertreiben! Basti gesellt sich aber nur alle paar Lieder mal zu den anderen, und Sänger Arne kann auch mal die Chance nutzen, seine Gitarre ganz weg zu stellen.
Songauswahl: Gut gemischt! Alle Alben und auch die letzte EP abgedeckt. Es hagelt Hits und ganz gelegentlich verfalle ich auch mal darin, laut mitzusingen. "Ohne Worte", "Blattsport", "Rambo", "120 Sachen" - hachja, Captain Planet haben ihren Status durchaus zurecht!
Das aktuelle Album "Treibeis" hat bei mir bisher nur so halb gezündet. Geht gut rein, aber ich vermisse noch die Ohrwürmer. Muss ich mich wohl noch reinhören, was gar nicht so einfach ist, wenn einen der Gesang nach ein paar Stücken nervt (was für das Live-Erlebnis aber glücklicherweise unerheblich ist, also alles gut).
Zwischendurch werden immer wieder leere Bierflaschen von der Bühne geräumt. Gitarrist Benni erzählt, dass beim gestrigen Auftritt in Münster eine Besucherin so in die Glasscherben gedrückt wurde, dass sie sich Schnittwunden zuzog und der Gig abgebrochen werden musste. Puh, harter Stoff! Alle schlucken, betroffene Stille. Wie kriegt man jetzt die Kurve zurück zum mitreißenden Partytumult?
Tada: Quotenpunker Ossi, bequem mit viel Platz neben der Bühne stehend und heute auf Krawall und Pöbelei gebürstet, rettet die Situation durch ein saloppes "Heul doch!". Ich finds irre witzig, geschätzte 87% der Zuschauer können nicht drüber lachen (siehe auch hier, hier und hier). Die folgende "ich möchte dich mal im Scherbenhaufen sehen"-Diskussion mit Benni gewinnt Ossi haushoch durch ein beherztes "...aber dafür bin ich nicht bei Facebook!". Großes Unterhaltungstennis hier!
Auf Emo-Konzerten wird ja eh zu wenig gelacht. Hähä. Zurück zum Auftritt: Alles gut, macht Spaß, bin begeistert, und nicht nur ich - also kein Wunder, dass eine Zugabe dem Zuschauerpack nicht reicht und die Kapitäne wiederholt zurück auf die Bühne geordert werden, bis sie einfach nicht mehr können. Muss sich das Publikum halt mal das Mikro schnappen.
Noch wat? Nö, alles gut. Super Abend, tolle Bands. Okay, wie bereits erwähnt: Zu viel Hype, zu wenig Hass (den gibt's anscheinend später am Bahnhof mit ner Gruppe Nazis, wie Ossi erzählt. Hass Hass Hass!). Also erstmal Liebe, bis ich mir den Rückfahrzug mal wieder mit ParkwayDrive- und Seeed-Fans teilen muss. Gute Nacht.