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Ruhrpott Revival 2025: Ritual, Giver, Wrong Man, Discord, Thrive, Life Beyond, Schutter, 10.05.2025 in Essen, Justus-Leber-Haus - Bericht von Oberbüscher

Ruhrpott Revival Rumble, 10.05.2025, in Essen

Kurze Anfahrt im RE1 von Dortmund nach Essen, aber genug Zeit um zu recherchieren: Das Ruhrpott Revival in Essen blickt auf eine gewisse Tradition zurück, die darin besteht, in die Jahre gekommene oder seit Längerem inaktive Hardcorebands (aus dem Ruhrpott und darüber hinaus) zusammenzubringen und im Justus-Leber-Haus auftreten zu lassen. Seit 2022 findet das Festival jährlich statt, 2022 und 24 sogar an zwei Tagen hintereinander, 2023 insgesamt drei Mal und 2025 haben wohl so viele Bands zugesagt, dass das Ganze auf zwei Bühnen („Untertage und Übertage“) ausgeweitet werden soll.
Vom Essener Hbf dauert es dann doch ein bisschen mit dem Bus bis zum Justus-Leber-Haus, das mitten in einem Wohngebiet liegt, von der AWO betrieben wird und an ein Studentenwohnheim angrenzt. Na die werden sich freuen, wenn hier das who is who der westdeutschen HC-Szene aufkreuzt. Als ich um ca. 16h endlich ankomme, ist davon aber noch nicht so viel zu sehen. Draußen sind mehrere Merch-Pavillons aufgebaut und es werden Burritos gerollt. Die könnten später noch wichtig werden…
Ich treffe Micha und Olli am Eingang und erfahre, dass ich a) die erste Band WEIGHTLESS bereits verpasst habe und b) das Festival wohl doch ausschließlich „Untertage“ stattfinden soll. Also straffer Zeitplan und wir gehen direkt mal rein.
Erste Band für uns also SCHUTTER aus Köln. Ich hatte die vorher online gesucht, aber immer falsch geschrieben (cSchutter=holländisch für Schütze“). Micha kennt den Sänger Simon vom Ieper und auch aus anderen Bands. Simon läuft das gesamte Set zwischen der rechten und linken Bühnenhälfte hin und her, während er schreit, growlt und ab und zu auch singt, fast bisschen wie Jack Letten/Eric Cohen. Mit seiner Lederjacke und weißen Turnschuhen steht er ein wenig im Kontrast zu Rest der Band, die mir mehr nach Metal/Hardrock aussehen. Musikalisch ist das aber durchaus stimmig. Type O Negative-Cover am Ende mega! Schade nur, dass noch nicht so viele da sind…
Im Anschluss direkt LIFE BEYOND, die offenbar aus der Gegend stammen und ein paar Fans sowie ihre Familien mitgebracht haben. Relativ klassischer 80s-HC im New York Style mit Aufrufen pro Familie, pro Szene, contra AfD und contra Tod. Sänger Dirk widmet einen Song seinem verstorbenen Bruder, daher also der Bandname. Da stört es auch auch nicht, dass sich die Band ab und an mal verzockt, alles im Rahmen und sehr authentisch.
Dann THRIVE, von denen ein Teil extra aus Arnheim angereist ist. Alle auch irgendwie aus anderen Bands bekannt, aber hier mit neuer EP („No More Walls Dividing“) und jeder Menge Energie. Die sportlichen Outfits vom Sänger und Lead-Gitarristen fühle ich jetzt nicht so, aber ist wohl son Szeneding (kurze kurze Shorts und Taktop zur Muskelschaustellung). Dazu wirken die Witze über „alte weiße Männer“ ein bisschen gestelzt, vor allem wenn die Körpersprache doch sehr an Glen Danzig erinnert. Die Palätte an Themen wird erweitert um Familien (Daughters), Krieg (Ignite and Reclaim) und Nachhaltigkeit (Eden Farewell). Die Frage, ob es hier Leute gibt die noch vegan und veggie sind, verstehe ich nicht ganz. Kann aber auch daran liegen, dass langsam echt gut was los ist und wir ne Pause brauchen.
Auch draußen ist es langsam ziemlich voll und es wird auch deutlich, was die mit ihrem „Familien-“ oder zumindest „Klassentreffen“ meinen. Alle scheinen sich ziemlich gut zu kennen, nur wir kennen außer Schutter-Simon keinen. Wohl auch eher höhere Semester, aber macht nichts. Das Bier in den AWO-Bechern ist echt günstig, die Burritos sind der Hammer, natürlich vegan, und generell haben wir nicht das Gefühl hier irgendwie fehl am Platz zu sein. Alles ein bisschen Jugendzentrum-Style, aber auch das passt ja zur Szene.
So jetzt aber zur Sache: Wir sind für GIVER hier. Ich hatte im Vorfeld bereits über Between Bodies berichtet, wo zwei der vier Kölner mitspielen. Damals nicht erkannt, heute direkt erkannt. Mit vergleichsweise melodischem Hardcore passen die vielleicht am wenigsten ins Line-Up, was vermutlich auch den konstanten 2m-Radius um die Bühne erklärt.
Trotzdem: Ab dem Opener „Love Won’t Heal“ vom aktuellen Album „The Future Holds Nothing But Confrontation“ ist klar, dass das hier eine neue Tiefe erreicht. Den Bassisten Christopher kennen wir ja schon. Hier gibt er aus meiner Sicht nochmal mehr Gas und liefert einen super stimmigen Mix aus cleanen Vocals und garstigen Shouts. Der Drummer Timo spielt jetzt auch schneller, dabei super technisch und brutal straight. Die beiden Gitarristen kleiden das Ganze schließlich in ein Gewand aus treibenden Blackmetal-Riffs, die beizeiten in fast schon wavige Soundwalls ausufern.
Frontman Robert gibt vom ersten Moment an alles und verrenkt sich auf der Bühne in den turnerischsten Posen, um auch den letzten Schrei aus der Lunge zu pressen. Dabei wechselt er zwischen einer Vielzahl an Stimmlagen, welche die Norm des Genres weit übertreffen. Das was man raushören kann sind durchaus tiefgründige Lyrics auf Englisch und auch Deutsch („Die Zukunft wird uns nicht geschenkt“). Ich habe den Eindruck, dass hier eine neue Generation zur Wort kommt — nicht nur im Hardcore, sondern generell so. Robert beschränkt seine einzige Ansage auf eine kurzes Statement, dass zwar auch die bisherigen Belastungsproben der Band durch Jobs, Corona und (natürlich) Familie beteuert, vielmehr aber die Wertschätzung und Dankbarkeit für die heutige Veranstaltung betont. Und das obwohl nur ein Bruchteil der Festivalgäste an diesem sonnigen Nachmittag „Untertage“ verbringt und niemand, wirklich niemand, tanzt. Nach einer knappen halben Stunde ist das Konzert dann auch schon vorbei und wir fragen uns, ob das hier überhaupt reingepasst hat. Und falls nicht, ob wir hier reinpassen?
Im Anschluss DISCORD, für die offenbar deutlich mehr Gäste angereist sind und die wohl direkt aus der Nähe kommen. Zudem wird wieder mehr der Revival-Aspekt des Festivals betont. Hier wird das Rad nicht neu erfunden, aber das scheint auch nicht unbedingt erwünscht. Straighter Hardcore, der für mich auch iwie Deutschpunk Vibes hat. Meine Aufmerksamkeit schwindet aber auch langsam, was nicht unbedingt an der Band liegen muss, sondern eher an der Fülle und Dichte des Programms. Am Ende wird Agnostic Front gecovert: „This is the message, this is for you, never forget the Ruhrpott Hardcore Crew!“ Nagut.
Während bei Discord die „Ruhrpott Hardcore Crew“ zumindest zwischendurch endlich mal in Bewegung gekommen ist, stehen bei den Belgiern WRONG MAN wieder alle still. Klar ist das eine jüngere Band, die eher Posthardcore, vielleicht auch ein bisschen im 90s Emo-Stil macht, aber habt ihr mal auf die Uhr geguckt? Wann soll es denn mal zur Sache gehen heute? Ok, der Sänger (Bjorn Dossche von Chain Reaction) ist zumindest zu Beginn relativ starr mit dem Mikro verwachsen und dadurch vielleicht nicht das beste Vorbild, aber die Instrumentalfraktion gibt alles und bedient eine Breite an Sounds zwischen frickeligem Mid-Western Emo, wummernden Doom Sounds und kreischendem Desert Blues. Ich habe Assoziationen zu Fugazi, Jawbreaker und Hot Water Music. Das mag für den oder die ein oder anderen hier vielleicht etwas verstörend sein, aber es erweitert in jeder Hinsicht den musikalischen Horizont und wird von uns als sehr willkommene Abwechslung gefeiert.
Eigentlich reicht uns das an Programm für heute, aber draußen wird uns nochmal eindringlich empfohlen, den Headliner (sofern es hier sowas gibt) RITUAL noch mitzunehmen. Die Band aus Recklinghausen muss in den 2000ern riesig gewesen sein (zumindest in der Szene) und hat jetzt nach über zehn Jahren eine neue Platte rausgebracht, also Revival. Wir gehen noch einmal rein und siehe da, es geht doch: Jetzt scheinen sich wirklich alle Besucher:innen des ausverkauften Festivals in den kleinen Raum „Untertage“ gezwängt zu haben, es wird lauthals mitgegrölt, von der „Bühne“ gesprungen und auch gemoscht. Ritual liefern ab und Sänger Julian verbringt das halbe Konzert im Publikum. Also doch eine „richtige“ Hardcore Show und wir merken, wie viel Hingabe und Leidenschaft in dieser Sub-Sub-Subkultur noch stecken kann. Jetzt fühlen wir uns angekommen und sind davon überzeugt, dass die Stimmung beim Headliner und Lokalegende COPYKILL mindestens genauso abgehen wird.
Aber nicht mehr mit uns. Sieben HC-Konzerte reichen für einen Tag und wir entscheiden uns für den letzten Bus aus dem Wohngebiet in Richtung Bahnhof. Für die Zugfahrt von Essen nach Dortmund brauchen wir statt 20, dann natürlich 90 Min. Vielleicht Karma, aber wir haben Stauder dabei und gute Gesellschaft. Nächstes Mal kommen wir pünktlich und bleiben bis zum Schluss. Versprochen, Ruhrpott Hardcore Crew!


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