Alternative Stage: Blood Command, May The Force Be With You, Awesome Scampis, 12.07.2025 in Lünen, Brunnenfestival - Bericht von Oberbüscher
Alternative Stage, 12.07.2025 in Lünen
Heute ist das BLOOD COMMAND aus Norwegen und Australien, die schon seit einigen Jahren europa- oder weltweit für Furore sorgen. Wenn die hier direkt um die Ecke für lau spielen, Abfahrt!
Wir hatten aber keine Ahnung davon wie groß das von einem lokalen Bierhersteller gesponserten Brunnenfestival ist und nehmen erstmal den falschen Eingang. Wir landen direkt vor der Hauptbühne, wo sich ganz Lünen versammelt hat, um zu die aktuelle EinsLive-Hitparade endlich mal live mitschwofen zu dürfen. Später sollen sogar THE BOSS HOSS spielen! Alles in allem erweckt das Brunnenfestival den Eindruck eines überdimensionierten Volksfestes. Einen Brunnen kann ich nicht entdecken, dafür aber lange Schlangen vor den Bier- und Essenswagen. Bier nur gegen Wertmarken, Bezahlung nur in bar. Toilettenwagen 70 Cent, kein Wechselgeld. Danke, stimmt so.
Durch einen Tunnel am anderen Ende des Festivalgeländes kamen wir endlich nur Alternativestage und entdecken sofort, dass wir durch die Fußgängerzone direkt hier gelandet wären. Ohne Taschenkontrolle und uns durch die Menge zu quetschen. Naja egal, trotzdem ist zumindest vor der Bühne schon gut was los und es spielen die Lokallegenden des Metalcores MAY THE FORCE BE WITH YOU.
Letztere feiern heute ihr 20. Bühnenjubiläum und haben zu diesem Anlass diverse Gäste auf der gemeinsamen Vergangenheit geladen. Darunter zählen Fans von frühen Konzerten, die offenbar selbst Bands gegründet haben und der Szene treu geblieben sind. Aber auch Weggefährten aus Vorgängerbands, wie Julius von TRAVELS AND TRUNKS. Der kentert für ein Cover von H2O die Bühne und brüllt heute überraschend wütend in die weitgehend schwarz gekleidete Menge: „And why does everybody look the same?“ Die Frage kann ich ihm leider nicht beantworten, es macht aber trotzdem Spaß, sich so früh am Abend warm zu bölken.
Als nächstes dürfen zwei Awesome Scampis, die heute Abend auch noch spielen sollen, auf die Bühne. Wieder ein Cover, wieder ein Klassiker: Ramones — Blitzkrieg Bop. Die Metalfangemeinde hat da Bock drauf und grölt mit, was die Volksfeststimmung untermalt, zeitweise aber auch ein bisschen für Gassenhaueratmosphäre sorgt… So langsam reicht es mit den Covern, oder? Von wegen: „Das schlimmste…“ von den Kassierern komplettiert die Partypalette. Nagut, ist ja Geburtstag.
Im Anschluss dann die AWESOME SCAMPIS. Soviel vorweg: Ich habe keine Ahnung von Ska und hatte bislang auch nie das Bedürfnis, Ahnung davon zu haben. Beeindruckend ist, wie viele Menschen doch auf die kleine Alternative Stage passen. Ich zähle neun inkl. dreiköpfiger Bläserfraktion und Maskottchen (SKAmpi oder Hummer?), später kommen aber noch mehr. Braucht es das alles wirklich?
Musikalisch habe ich, wie gesagt, keine Ahnung davon, was da auf der Bühne passiert. Ich halte es da eher mit dem Ersatzkopf-Credo: „Trompeten raus aus Punk!“ Apropos, der Trompeter ist Andis Bruder, was Andi ein bisschen unangenehm scheint, ihn aber auch ein bisschen stolz macht. Andi hat die ganze Familie dabei und sein über-70-jähriger Papa bleibt bis zum Ende des Konzertes. Sowas finde ich ja schön.
Auch vor der Bühne ist Einiges los und das Publikum scheint deutlich heterogener, nicht nur in Bezug auf die Kleidung, sondern auch die Alters- und Geschlechterverhältnisse. Viele können die Texte mitträllern und es wird auch wieder fleißig gecovert. „Schrei nach Liebe" passt perfekt auf das Volksfest, wobei ich leider auch Onkels- und Ramstein-Shirts im Publikum entdecke. Dann lieber Wertmarkenbier und (überraschend gutes) veganes Curry im Hintergrund.
Um 22:45h dann endlich BLOOD COMMAND (BC). Das Norwegische Trio aus Gitarre, Bass und Schlagzeug baut von Beginn an eine heftige Soundwall auf, die leider auf ein etwas ausgedünntes Publikum trifft. Also weit nach vorne und Fokus, um im das instrumentale Intro „Ctrl+Alt+Delete“ zu vergehen. Dann „Cult Drugs“, der Opener des gleichnamigen Albums, das ich hier ausdrücklich empfehle.
Vor diesen Hintergrund tritt die australische Sängerin Nikki Brumen. Ich habe Nikki bereits 2018 mit ihrer Band Pagan auf dem Festival von The Smith Street Band in Melbourne schreien gehört. Damals schon die zierlichste Person auf der Bühne mit der härtesten Stimme, die an diesem Abend alles in den Schatten gestellt hat. Ihre Stimmrange reicht von einer piepsigen Popstimme, über wutentbranntes Punkgeschrei bis zu pechschwarzem Metalgrowl. Daraus ergibt sich wohl die Genrebezeichnung des Death Pops, mit der BC auf dem Flyer angekündigt wird.
Neben der wirklich beeindruckenden Gesangsleistung, hat Nikki einiges damit zu tun, die restlichen Anwesenden, von denen die wenigsten mit der Band vertraut zu sein scheinen, geschweige denn mitsingen können, vor der Bühne zu versammeln. Vor dem Hintergrund der wirklich großen Festivalbühnen, die die Band in den letzten Jahren bespielt hat, ist es nahezu beeindruckend, mit welchem Eifer sie auf das leicht irritierte Publikum einredet. Sich zehn Mal bedankt, betont wie toll es hier doch in Lünen sei und die noch Anwesenden als „my Babies“ oder „Beautiful Angels of Love“ bezeichnet.
Eine solche Wortwahl steht im direkten Kontrast zu Songs wie „Heaven’s Hate“, „All I Ever Hate About is You“ oder „The Plaque on Both Your Houses“. Trotzdem klappt das und die ca. 100 übriggebliebenen Gäste beginnen tatsächlich zu tanzen, zu springen und singen schließlich doch den „very catchy chorus" mit. Nikkis Lieblingsgast heißt Renate (ca. 60), die prompt auf die Bühne geholt wird. Das hätte sich Renate wohl nicht gedacht, als sie heute Nachmittag aufs Lüner Brunnenfestival gekommen ist.
Mein persönliches Highlight ist der Song „Quitter’s Don’t Smoke“, den Nikki auf „Cult Drugs“ zwar nicht eingesungen hat, aber mit mindestens genausoviel Inbrunst performed wie ihre norwegische Vorgängerin Karina Ljone. Generell haben BC mehrfach ihre Sängerin gewechselt, wobei es Nikki hier sichtlich gefällt, was sie mit dem sehr herzlichen Verhältnis zu den Bandkollegen und ihrem Umzug von Melbourne (Oz) nach Bergen (Nw) mehrfach betont.
Aus dieser ganzen Harmonie und irgendwie auch Absurdität wächst eine besondere Magie. Zu „A Villain’s Monologue“, Nikkis erstem BC-Song, entsteht ein kleiner Circle Pit, bei dem viele mitrennen, auch Renate. Zum Klassiker „High Five for Life“ klettert Nikki auf die Schultern eines Fans, andere folgen ihrem Beispiel und stimmen im Refrain ein: „Please, baby please, won′t you please take me home?“ Das eher getragene „Decades“ singt Nikki liegend auf den Händen des sie längst vergötternden Publikums. Nicht nur musikalisch offenbaren sich Bezüge zu Turnstile und damit einem neuen Zeitalter des Hardcore Punks.
Bleibt noch zu erwähnen, dass Niki in der knappen Stunde ein halbes Dutzend Bühnenoutfits präsentiert, die auch daraus resultieren, dass sie
alle paar Songs eine Lage aus- oder wieder anzieht. Auch das ikonische
rote Glitzerkleid mit Adidas-Logo bleibt nicht lange am Körper, weil zur Feier des Tages eine Flasche Schampus darüber und in der ersten Reihe entleert wird. Jedes Bandmitglied trägt mindestens ein Adidas-Teil, was „the Band with the Three Stripes“ auch entsprechend in Szene setzt. Ein offizielles Sponsoring besteht meines Wissens nicht.
alle paar Songs eine Lage aus- oder wieder anzieht. Auch das ikonische
rote Glitzerkleid mit Adidas-Logo bleibt nicht lange am Körper, weil zur Feier des Tages eine Flasche Schampus darüber und in der ersten Reihe entleert wird. Jedes Bandmitglied trägt mindestens ein Adidas-Teil, was „the Band with the Three Stripes“ auch entsprechend in Szene setzt. Ein offizielles Sponsoring besteht meines Wissens nicht.
Als Zugabe bricht Nikki uns mit „We Could be Heaven“ das Herz. Die aktuelle Single betont nochmal das POP in Deathpop und rechnet mit der gesamten Männerwelt ab. Irgendwer meint, sie sei die Freundin von Tommy Manboy (Turbonegro). Sie trägt jetzt kaum noch Kleidung, steht aber erhabener denn je auf der Bühne. Das wirkt weder übersexualisiert noch verletzlich, was den ein oder anderen im Publikum vielleicht irritieren mag. Vielleicht ist das aber genau das was Punk, Hardcore oder (Death-)Pop nötig haben. Die unendlich sympathische Band bedankt sich überschwänglich und um 0 Uhr ist alles vorbei. Was bleibt sind ein paar knutschende Teenager vor der Bühne, die sich auf diesem Brunnenfestival vermutlich nicht nur einmal verliebt haben.