Common Thread Festival: Hot Water Music, Modern Life Is War, Defeater, Comeback Kid, A Wilhelm Scream, Spanish Gamble, Joyce Manor, The Hotelier, 18.10.2025 in Oberhausen, Turbinenhalle - Bericht von Oberbüscher
Common Thread Festival, 18.10.2025 in Oberhausen
Das Line-Up vom Common Thread Festival 25 liest sich, als wäre es von einer KI aus meiner iTunes-Playlist vor 10 Jahren erstellt worden. 23 Bands. 80 €. 1 Tag. Oberhausen. Klar, die meisten Acts schonmal irgendwo gesehen, viele aber auch echt lange nicht. Bisschen Pop-Punk, bisschen Hardcore, viel Emo. Let the marathon begin!
Auf der Hinfahrt dann die erste Ernüchterung: Das Ganze fängt entsprechend früh an, sodass wir die ersten Bands schon verpasst haben. Ist vielleicht auch sinnvoll bei dem Tagesprogramm. Dann spielen die meisten Bands nicht länger als eine halbe Stunde. Auch iwie logisch. Weniger verständlich ist die Taktung, dass sich die allermeisten Acts trotz zwei Hallen fast vollständig überlappen. Naja, ohne Kompromisse wird man wohl nicht durch den Tag kommen. Kompromiss Nr. 1: Ich nehme mir vor, pro Band nur ein Foto zu machen.
In der Turbinenhalle kurz orientiert. Man braucht ungefähr für alles Marken und kann die auch nicht zurück tauschen. Bei Bierpreisen von 5 € und einem entsprechenden Tagesplan will also gut gewirtschaftet werden. Durch die Spindmiete und den Foodcourt werden die Beträge dann auch noch krumm, sodass das große Rechnen los geht. Kompromiss Nr. 2. Mark wird kurzerhand zum Markenbeauftragten. Höhö!
Die erste Band, die wir uns anschauen ist A WILHELM SCREAM. Gefallen mir auf Platte gut, auch wenn nur einzelne Songs hängen geblieben sind. Live überraschend hart. Die riesige Halle ist um 16h schon gut gefüllt und die Stimmung passt. Der erste Circle Pit um kurz nach 4. Musikalisch für eine HC-Band zu nerdig, meint Lukas. Aber ein guter Start in den Tag.
 
Wir bleiben erstmal in der „großen“ Halle und schauen THE DIRTY NIL an. Die Halle erscheint jetzt ein bisschen leerer, was aber auch daran liegen kann, dass wir weiter hinten stehen. Von hier fällt mir auf, dass die Stimme weird abgemischt/zu laut ist. Passt vielleicht zu einigen Bands heute, aber zu denen nicht. Ich habe die Kanadier schon ein paar Mal live gesehen. Heute springt der Funke nicht über. Auch nicht bei den raueren Songs gegen Ende des Sets.
THE HOTELIER. Immer noch große Halle. Randvoll. Sehr tighte Band. Sehr gute Stimmung. Nach einem langen Intro, dann direkt den ersten Banger „Your Deep Rest“ vom 2. Album, das eigentlich auch der Höhepunkt der Bandkarriere geblieben ist (2014). Der Sänger/Bassist hat immer noch diese unverkennbare Emo-Stimme. Rob und Patte haben wohl mal mit dem Leadgitarristen geraucht. Das würde vielleicht helfen, damit die Band noch etwas mehr aus sich rauskommt. Musikalisch wirklich gut, aber es könnte etwas mehr Bewegung auf der Bühne sein. Dafür gibt es am Ende noch ein bisschen Stadionrock.
JOYCE MANOR halten das Level von Hotelier, aber irgendwie wirkt das hier noch ein wenig frischer und optimistischer. Ob das jetzt für eine Emo-Band zuträglich ist, sei dahin gestellt. Die aktuelle Single „All My Friends Are So Depressed“ stellt eine Ausnahme dar. Hier klingt Sänger Barry Johnson fast wie ein junger Morrissey. Wesentlich fröhlicher geht es in den Bangern „Constant Heartache“ oder „Heart Tattoo“ zu. Und dann natürlich noch der „Catalina Fight Song“, bei dem alteingesessene Fans verschmitzt grinsen, wegen der wohl am häufigsten bewusst als verstandenen ersten Zeile seit es Pop-Punk gibt…
Dann der erste Konflikt: TIGERS JAW spielen gleichzeitig mit DEFEATER. Die Gruppe berät sich kurz und es werden die üblichen Argumente ausgetauscht. TJ in den letzten Jahren gespannt verfolgt. DF länger nicht, aber dafür in den 2010ern schon mehrmals gesehen. Das war immer geil und irgendwie stehen sie ja auch für eine Ära des (Post-)Hardcores. Außerdem meint irgendwer, dass TJ live nicht so gut sind. Die Zeit läuft ab, auf dem Bildschirm fangen Defeater an und von der Bühne vernehme ich die bekannten Zeilen „All you see is that bastard in me.“ Die Nostalgie überkommt mich und ich bleibe als Einziger zurück.
 
Das charaktertische DF-Schlagzeug prügelt laut, böse und… monoton! Zusammen mit Sänger Dereks Gesang entsteht dadurch das typische Grauen aus der provinziellen Einöde New Jerseys, häuslicher Gewalt und Kriegstrauma. Die Geschichte entfaltet sich heute punktuell in Klassikern wie „Living Hell“ und „Dear Father“. Bei „Empty Glass“ steht die Bühne still und Derek nimmt uns mit in seine Stammkneipe „The Copper Coin“, kein schöner Ort, aber die Menge fleht ihn an: „Tell me about the old days!“. Die Monotonie entlädt sich in einem fulminanten Gewitter aus (zu) grellen Lichtern, Post-Rock-Soundwalls und dem Kugelhagel des Drummers.
Die Ernüchterung erfolgt in „Cowardice“ vom ersten Album mit dem Derek (jetzt der jüngere Sohn der Familie) um Buße fleht, Vergebung erfährt, diese letztlich aber nicht akzeptiert und sich vom Kirchturm stürzt. Obwohl dieser Song in der Vergangenheit häufig das logische Ende der Konzerte gebildet hat, wird heute noch „The Red, White and Blues“ drangehängt. Ebenfalls ein Meisterwerk, das vor dem Hintergrund der aktuellen Lage sicherlich alte Wunden aufweist: „I’m gonna bleed red, white and blue.“ We too, Derek, we too.
Bei MODERN LIFE IS WAR ist schon der Soundcheck Entertainment pur. Ich habe den Eindruck, dass Sänger Jeffrey Eaton hier bereits an die Grenzen seines durchaus umfänglichen Stimmvolumen geht. Zwischendurch fragt er mehrmals: „Could we kill the lights?“ und erntet dafür Applaus von den belustigten Wartenden vor der Bühne. Neben der sehr lauten Stimme und das Bühnenlicht tatsächlich heute sehr grell und aus irgendeinem Grund ständig auf das Publikum gerichtet. Als würde der Lichttechniker wollen, dass gewisse Vorgänge ungesehen bleiben. Irgendwer meint, Jeffrey sieht aus wie Bill Kauliz. Finde ich nicht.
Ich habe mich ehrlich gesagt gewundert, warum MLIW nach Defeater spielen und auch noch 10 Minuten mehr Zeit bekommen, aber sobald die HC-Legenden aus Iowa loslegen, wird mir einiges klar. Während das bewusst monotone Schlagzeug bei Defeater eher für konzentrierte Betroffenheit sorgte, machen die Blastbeats von Tyler Oleson direkt Bock auf Tanzen. 
Auch alle 3 Gitarren gehen von Anfang an nach vorne und werden durch gezielte Gangshouts ergänzt. Jeff überzeugt vollends mit seiner Bühnenperformance, sprengt regelmäßig die Bühne, landet immer wieder in oder auf der Menge. Zuerst entledigt er sich seiner ikonischen Lederjacke, dann wandert sein Mikrofon ins Publikum. Der kann aber auch ohne Mikro laut genug schreien. Hitparade: „John and Jimmy“, „Young Man Blues“ und auch „Homecoming Queen“ vom aktuellen Album „Life on the Moon“ verfehlt seine Wirkung nicht.
 
Auch alle 3 Gitarren gehen von Anfang an nach vorne und werden durch gezielte Gangshouts ergänzt. Jeff überzeugt vollends mit seiner Bühnenperformance, sprengt regelmäßig die Bühne, landet immer wieder in oder auf der Menge. Zuerst entledigt er sich seiner ikonischen Lederjacke, dann wandert sein Mikrofon ins Publikum. Der kann aber auch ohne Mikro laut genug schreien. Hitparade: „John and Jimmy“, „Young Man Blues“ und auch „Homecoming Queen“ vom aktuellen Album „Life on the Moon“ verfehlt seine Wirkung nicht.
Ich habe die Band Mitte der 2010er zu Zeiten der „Fever Hunting“-LP kennen und lieben gelernt. Damals hatten die aber auch schon 3 Alben raus und bereits Legendenstatus. Heute wirkt die Band deutlich reifer und bedankt sich für „twenty years of support“. Es ist wirklich beeindruckend, wie eine Band aus Marshalltown, Iowa seit 20 Jahren mit einer derart kompromisslosen Performance so hohe Wellen schlagen kann. Die Auflösung erfolgt mit dem letzten Song — der Überhymne „D.E.A.D.R.A.M.O.N.E.S.“. Sänger ist jetzt wieder 15, kotzt sich über die Perspektivlosigkeit der Kleinstadt aus und findet Trost in Punkrock und Skateboarding. Die Menge liegt ihm zu Füßen und singt jede Zeile aus voller Kehle mit. Vielleicht gibt es ja auch ein Marshalltown im Sauerland. Im C-Part gibt sich Jeff dann vollends der Menge hin, und auch die Stimmen verschmelzen zu einem über Minuten andauernden Wolfsgeheul, dass noch lange nach der Show in den Ohren klingt: „We’re all Dead Ramones!“
COMEBACK KID eröffnen zu A-HAs „Take on Me“. Das scheint irgendwie so ein Running Gag zu sein, dass HC-Bands heutzutage immer Pop-Samples in ihr Set einbauen, nagut. Auch CK schaffen es das Tempo der eher Core-lastigen Bands aufrecht zu erhalten. Wenn auch alles ein bisschen mehr im Old-School. Teilweise wirkt das schon ein bisschen nach Plattitüde was die Kanadier hier auf die Bühne bringen, trotzdem authentisch. Selbiges gilt für die Fans: Ein Typ neben mir trägt Bandana. Die Circle- und auch Mosh-Pits sind deutlich größer und länger als bei den vorherigen Bands. Weniger Verzweiflung, eher Angriff nach vorne… und Spaß! Irgendwann fliegen bunte Luftballons in den Pit und werden kurzerhand plattgetreten. Das Konzert rollt wie eine Dampfwalze durch den Saal und bei mir treten erste Ermüdungserscheinungen auf. Zum Ender „Wake up the Dead“ gebe ich nochmal alles. Danach muss ich mich setzen. Die schwitzenden Menschen um mich rum reiben sich die Schienbeine und Kiefer, sehen aber glücklich aus.
SPANISH LOVE SONGS sind die erste Band und einzige Band, die ich heute mir heute in der „kleinen“ Halle anschaue, auch weil jetzt wirklich mal eine Lücke im Programm gelassen wurde. Ich kann also nicht sagen, ob die Halle aus diesem Grund oder den ganzen Tag schon bis zum Bersten voll war. Für mich zu voll. Vom Balkon aus schaue ich mir die Band aus LA von der Seite an, sehe nicht alles, aber das ist ok. Ein harter Bruch nach dem HC-Trio und ich bin irgendwie noch zu aufgeheizt, um das hier wirklich wertschätzen zu können. Wäre nach Joyce Manor besser gekommen.
SLS sind trotzdem super und Songs wie „The Boy considers his haircut“ reißen mich aus meiner Trance. Die Keyboarderin sticht raus, auch wenn oder weil sie nicht so viel zu tun hat. Mehrmals spielt sie einhändig, dann Luftgitarre. Ach nee, das ist eine richtige Gitarre, ist von meinem Balkon aus schwer zu erkennen. SLS haben eine ergebene Fangemeinde, die aus meiner Sicht aber nicht so ganz in das Gesamtbild des Tages passt. Vielleicht haben die sich bislang in der kleinen Halle, die jetzt gar nicht mehr so klein wirkt. Sternstunde: „Haunted“. Keine Covers leider. Egal, neue Platte kann kommen.
SLS sind trotzdem super und Songs wie „The Boy considers his haircut“ reißen mich aus meiner Trance. Die Keyboarderin sticht raus, auch wenn oder weil sie nicht so viel zu tun hat. Mehrmals spielt sie einhändig, dann Luftgitarre. Ach nee, das ist eine richtige Gitarre, ist von meinem Balkon aus schwer zu erkennen. SLS haben eine ergebene Fangemeinde, die aus meiner Sicht aber nicht so ganz in das Gesamtbild des Tages passt. Vielleicht haben die sich bislang in der kleinen Halle, die jetzt gar nicht mehr so klein wirkt. Sternstunde: „Haunted“. Keine Covers leider. Egal, neue Platte kann kommen.
Tatsächlich ist es möglich, dann auch noch einen Blick auf den Headliner HOT WATER MUSIC zu werfen. Den Post-HC-Vätern ist es wohl zu verdanken, dass hier heute so viele Bands zusammengekommen sind. Danke. Trotzdem ist das Konzert für mich zu spät und zu viel. Vielleicht liegt es an meinem Zeit- und Kräftemanagement, aber ich kann kaum noch zuhören und verbringe ich die letzten Minuten mit geschlossenen Augen. Natürlich gröle ich dann dennoch Klassiker wie „Turnstile“, „State of Grace“ und „Trusty Chords“. Bei Letzterem klingt meine Stimme dann genau so rau, wie die von Chuck Ragan. Aber der war heute nicht auf neun Konzerten, oder?
 
Trotzdem ein toller Tag. Kompromisse habe ich, ehrlich gesagt, kaum machen müssen und auch die anfänglichen Vorsätze ein Foto/Satz/Bier pro Band sind schnell verworfen worden. Das spricht aber für die Veranstaltung und insbesondere das überragende Booking. Auch wenn ich solche Formate nicht jeden Monat brauche, bin ich froh als ich schließlich pünktlich um 23:30h die Turbinenhalle verlasse. Danke, Seibel, für die Karte!
















