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Sonntag, 02.04.2023: Dräschfeschd - Interview



Nach dem großen Back to Future wird’s dieses Mal ein ganzes Stück kleiner, nämlich um den Faktor 20: Von 3000 zu 150. Sind 150 Leute noch ein Festival oder nur ein sehr langes Konzert? Egal, denn beim Hamburger Dräschfeschd von „langen Konzerten“ zu sprechen, wird dem powerviolence- und grindcorelastigen Wochenende vom 28. bzw. 29.4. nicht gerecht. Neben lokalen Geballerbands wie Yør oder der Ein-Mensch-Armee Bug Attack spielen Künstler*innen wie Tense Reaction, Cancer Clan, Possible Damage, Travølta oder Gvllotine zum kollektiven Kopfschütten auf. Wer auf Songs mit 60 Sekunden Länge, viel Geschrei und familiärer Atmosphäre hinterm Elbdeich steht, wird hier mit offenen Armen empfangen. Tickets gibt’s für 35 Euro, mit etwas Glück auch noch an der Abendkasse. Mehr Infos findet ihr unter https://draesch.flowerviolence.de und auf unserer Veranstaltungs-Seite. Einen Bericht von 2022 gibt es hier und ob das Dräschfeschd wohl das einzige Festival Deutschlands ist, das von einem Beamer geleitet wird und wieso sowas überhaupt gebraucht wird, könnt ihr weiter unten nachlesen.

Rede und Antwort standen uns Heike und Ralf, die zum Glück nicht in bester Grindmanier die Fragen in 10 Wörtern beantwortet haben.

So, geht los mit Fragen:


1: Moin Ralf, danke erst mal, dass ihr mit eurem kleinen, aber feinen Festival mitmacht, das ja deutschlandweit gefühlt eher unter dem Radar läuft, was mit Sicherheit auch an der Musikrichtung liegt. Jedenfalls ist in meiner Freundschaftsblase das Interesse an Powerviolence, Grindcore und jeglichem anderen Geballer doch eher überschaubar. Trotzdem geht's schon in die vierzehnte Ausgabe, wenn wir die ursprünglichen Dräschfeschd-Ausgaben aus Mannheim mitzählen. Wieso tust du dir das nach 20 Jahren immer noch an und wie schaffst du es, dass auch der Rest der Crew immer noch Bock hat?
Ralf: Haha, das frage ich mich jedes Jahr und es gab auch immer mal den Punkt, wo ich mir sicher bin „das war das letzte“, aber es ist auch irgendwie geil, macht Spaß und hat einen großen freundschaftlichen Wert für mich und das ganze Team. Letztlich ist es eine Art Familientreffen und es gibt zum Teil Menschen, die sich nur dort treffen, das hat es schon eine gewisse Besonderheit. Viele dieser Bands kenne ich persönlich und alle kennen sich irgendwie untereinander. Das macht es so familiär.

2: Stichwort unter dem Radar: Das Festival war letztes Jahr ausverkauft und obwohl das Ding schon Ende April stattfindet, standen doch relativ viele Zelte vor der Tür, obwohl Hamburg nicht so wahnsinnig weit weg ist. Was für Leute zieht ihr überhaupt an, die Bock auf Campen im April haben?
Ralf: Die Leute sind hart im Nehmen und es scheint den Leuten ja wert zu sein. Das wird auch langsam mehr. Dass wir ausverkauft waren, hatte bestimmt auch mit den zwei Jahren Pause zu tun hat. Die Leute hatten wieder Bock und waren froh, dass wieder etwas stattgefunden hat. Bin gespannt, wie es die nächsten Jahre wird. Unser Publikum ist ein Mix aus Punx, Hardcore-Leute aus den unterschiedlichsten Bereichen, ein paar Metalheads und ein paar Menschen, die eigentlich mit der Musik nichts zu tun haben, aber einfach Leute kennen, die dort hingehen und die Atmosphäre mögen.


3: Aufgrund der Location und der Leute fühlt sich das Festival eher wie eine Lan-Party (?) aus den 90ern an als nach Festival. Wieso hat's euch zur ehemaligen Grundschule in Moorwerder, Moorburg, in den Verein Elbdeich e.V., verschlagen?
Ralf: Heike und ich haben in Moorburg gewohnt. Wir mögen den Charme und viele der Leute des Dorfes. Als die Grundschule dort geschlossen wurde, habe ich nebenan in der Kita gearbeitet, was ich auch heute noch tue und wir z. B. diese Küche nutzen, sonst wäre das Catering in dem Umfang gar nicht möglich. Als der Verein in der Grundschule gegründet wurde, waren wir immer mittendrin, da wir mit einigen der Gründerinnen befreundet sind. Durch die Möglichkeiten, die der Laden bietet, habe ich die Idee entwickelt, das Dräschfeschd wieder aufleben zulassen. Als eine Art Rückzahlung an die Leute, die immer Konzerte für meine Bands veranstalten. Viele der Bands, die spielen, haben ja auch wieder VeranstalterInnen in ihren Reihen. So funktioniert für mich DIY.
Heike: Das Gelände des elbdeich e.V. bietet aber auch einfach besondere Möglichkeiten, die wir bis 2022 kaum nutzten. Nach dem Ausfall durch Corona mussten und wollten wir uns an die Situation anpassen. Wir wollten, dass sich die Menschen etwas weiter ausbreiten und die innere Nutzung entzerren. Daher stand die Theke das erste Mal zusammen mit der KüfA im hinteren Bereich des Außengeländes. Dies bedeutete eine enorme qualitative Steigerung und ich glaube, jedeR hatte die Gemütlichkeit genossen. So brannten zum ersten Mal das ein oder andere Feuer, was abends Ende April ganz nett ist, auch wenn Ralf die Augen rollt.
Ralf: klar, Feuer stinkt.

4: Das Konzept "Jede Band spielt gleich lang, egal wer da auf der Bühne steht" können sich andere Festivals auch gerne mal abschauen. Die Spielzeit von 15 Minuten ist sicherlich der Tatsache geschuldet, dass kein Mensch mehr als 15 Minuten Powerviolence spielen kann, aber wie kam es zu der Idee, die Zeit für alle gleich zu limitieren?
Ralf: Generell kann ich persönlich mir fast keine Band länger als 15 min anschauen, dann wird mir das langweilig, wenn doch, dann muss das schon was ganz Besonderes sein. Und es tut allen gut bei so einem Festival, wenn die Bands nicht gefühlt ewig bzw. alle gleichlang spielen. Die Idee mit dem optischen Countdown via Beamer auf der Bühne untermauert das ja auch noch.


5: Wie entscheidet ihr, welche Band ins Lineup kommt, abgesehen von "Der Chef mit seiner Band ist sowieso dabei"? Und wie viel Wert legt ihr darauf, keine politisch fragwürdigen Bands einzuladen?
Ralf: Wie schon gesagt, kenne ich die meisten Menschen in den Bands durch meine eigenen Bandaktivitäten persönlich. Viele Bands haben schon mehrfach gespielt, bzw. es gibt Menschen, die spielen jedes Jahr mit einer Band, weil sie einfach da sein wollen. Der Rest kommt dazu, weil ich oder jemand anderes aus dem Team diese Band gerne dabei haben möchten bzw. sehen möchte. Das klappt nicht immer. Es gibt jedes Jahr immer eins bis zwei Bands, die nicht spielen wollen, weil ihnen das Festival nichts sagt und sie nicht für 15 min kommen wollen. Das ist dann so, ich bettele oder diskutier das dann auch nicht. Wobei es ja auch immer mal Bands gibt, die 20 min ran durften. Dazu kommen noch tourende Bands dazu, was im April aber oft nicht so viele sind.
Über die Auswahl der Bands habe dann tatsächlich ich die Hand drauf, es muss mir menschlich oder musikalisch passen und auch sonst muss alles passen. Bands, die als erstes über Geld reden wollen, sind raus. Ich verweigere Festgagen oder feste finanzielle Zusagen. Das ist halt DIY, das Geld, das rein kommt, geht an die Bands abzüglich Umlagen raus. Mir/uns sind natürlich Inhalte wichtig, gerade in dem Grindcore ist das manchmal schwierig, da gibt es diese Porn-/Gore-/oder was-weiß-ich-Grindcore Bands, auf die hat bei uns keinEr Bock. Aber da ich ja viele der Leute in den Bands kenne, gibt es selten Situationen, wo wir noch mal genau schauen oder diskutieren müssen.
Und ja, ich spiele auch fast jedes Jahr, irgendwie ist das auch anstrengend aber irgendwie auch logisch, wenn ich so’ne Musik mache, die dann auch da zu performen und es spart Ausgaben, dann können die anderen mehr haben.
Heike: Ralf hat uns andere aber auch einfach sehr gut im Blick, kennt unseren Geschmack und denkt an jedeN. Schön uns da auf ihn verlassen zu können! Z. B. spielen Bands, die Svenja und ich gut finden, eher nicht während der KüfA-hektischen Phase.

6: Wie reagieren die Leute aus Moorburg auf die zwei Tage Geballer, Campen, Blastbeatbattle und Grindballtunier? Die anwohner*innen-freundlichste Musikrichtung wird beim Dräschfeschd ja nicht bedient.
Ralf: Erstaunlich gut. Viele der Leute die den elbdeich e.V. betreiben, wohnen in der Nachbarschaft. Die direkten Nachbarn finden das ok bis gut. Klar gibt es auch Menschen die kein Bock auf die Punx und Zecken im Dorf haben, aber die sind entweder in der Unterzahl oder sagen nichts. Anfangs kamen immer wieder mal welche schauen, was den hier so los ist und sind nach einem Bier wieder weiter gezogen, das war immer total OK.
Heike: Grundsätzlich basiert das Dräsch auf Basis der gegenseitigen Rücksichtnahme und die endet ja nicht an den Grundstücksgrenzen des elbdeich e.V..
Da wir jedeN aus dem direkten Umfeld persönlich kennen, stehen wir schon im Vorfeld in Kontakt und es gibt so kleine Anker im Ablauf. Z.B. bleiben die Türen dicht ab einer gewissen Uhrzeit und der Zeitpunkt des letzten Acts vor Mitternacht ist ja auch kein Zufall.


7: Die Musikrichtungen beim Dräschfeschd sind doch arg männlich dominiert, trotzdem wirkt das Publikum erstaunlich ausgeglichen, was die Geschlechterverteilung angeht und generell extrem friedlich und entspannt. Braucht's da überhaupt sowas wie ein Awareness-/Securitykonzept? Wie seht ihr das Verhalten der Besucher*innen im Laufe des Wochenendes?
Ralf: Das hast du schön beobachtet. In der Tat kommen wir bisher ohne klar ausgewiesene Awarenesskonzepte oder Security aus. Das bedeutet nicht, dass wir nicht darüber sprechen und für uns das im Kopf haben. Müssen es aber nicht überall präsentieren. Wir haben 2x jemanden vom Gelände verweisen müssen, was aber immer eher am unkontrollierten Alkoholkonsum lag und wir das dann eher freundlich, aber bestimmend lösen konnten. Wir haben viele weibliche Besucherinnen, das stimmt. Das kann an der entspannten und freundlichen Atmosphäre liegen, welch du ja auch wahrgenommen hast. Auch das Team ist eher 50/50.
Das es mehr männliche Musiker in diesem Bereich gibt, stimmt natürlich auch. Das wird sich auch nicht ganz so schnell ändern. Allerdings habe ich auch da immer im Blick, was könnte spielen, um diese „Quote“ etwas zu drücken, oft sind es Bands mit Sängerinnen, trotzdem muss es uns gefallen und in das Gesamte passen. Eine feste Quote wie „es müssen mindestens so und so viel nicht-cis-männliche Bands spielen“, verweigern wir bewusst.
Heike: An erster Stelle steht doch erst mal die Musik und buchen können wir auch erst mal nur, was es auch gibt und das müssen wir halt auch irgendwie gut finden. Eine Quote halten wir da als für niemanden dienlich. Es fällt mir aber auch kein Dräschfeschd ein, auf dem jemals nur CIS-männlich besetzte Bands gespielt hätten.
Und wie Ralf sagt, ein ausgehängtes Konzept haben wir nicht. Wir sind einfach alle präsent und ich bilde mir ein, dass bisher auch ohne entsprechenden Hinweise jedeR eine Ansprechperson finden konnte. Irgendjemand kennt eine Person, die jemanden wieder von uns kennt. Das ist z.B. ein Grund, warum wir nicht wollen, dass das Festival weiter wächst. Es würde diese Atmosphäre verloren gehen.

8: Und zum Abschluss die Klassikerfrage: Welche Band sollte unbedingt beim Dräschfeschd spielen, wird es wahrscheinlich aber niemals machen und wieso?
Ralf: Gute Frage, eigentlich träume ich davon, dass Gang Green und/oder DRI ihre erste Platte performen beim Dräschfeschd, das wäre der Hammer. Glaube aber das wird nicht bezahlbar und realisierbar sein. Auch weil dann das Familiäre darunter leiden würde, weil dann zu viele Menschen kommen und all das, was wir bisher genannt haben, wahrscheinlich nicht mehr so entspannt sein würde.

Wir danken sehr für Euer Interesse
Ralf und Heike


Thruntilldeath 04/2023
Mehr zu: Interview Festival Dräschfeschd
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Arno

04.04.2023 08:43
Da krieg ich glatt Lust drauf mal hinzuschaun

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