Sommerschlacht Tag 2: Messed Up, The Melmacs, 100Blumen, Theilen, Don Kanaille, Concrete Lipstick, Catbiteback, Hörzu!, Postea, 12.08.2023 in Wakenstädt, Schießplatz - Bericht von Fö
Sommerschlacht Tag 2, 12.08.2023 in Wakenstädt
Am Kaffeestand gibt es Kaffee gegen Spende und belegte (halbe) Brötchen für nen Euro, damit lässt sich gut in den Tag starten. Ne Wanderung über pittoreske Landstraßen haben wir für heute nicht geplant, aber es dauert nicht lang bis um 14 Uhr der erste Programmpunkt startet: Die Lesung von Punk As F*ck.
Punk As F*ck, das ist, wer es noch nicht kennen sollte, ein Buch, in dem 50 Autor*innen die mehr oder weniger in der Punkszene heimisch sind, über ihre Erfahrungen im Punk geschrieben haben. Sehr zu empfehlende Lektüre! Ganz aktuell erfahren wir, dass die zweite Auflage ausverkauft ist und die letzten Exemplare genau hier auf dem Tisch liegen. Mindestens 2 davon muss Gesine verkaufen, um ihren Deckel von gestern zahlen zu können, wirft sie ein.
Sévérine und Gesine lesen ihre jeweiligen Beiträge aus dem Buch, schmücken sie mit Einleitungen und Zusatz-Anekdoten und verteilen am Ende zur Auflockerung "Schlacke", was Boonekamp mit Ahoj-Brause ist. Puh. Punk is echt nur was für die Härtesten.
Findet aber reißenden Absatz! Beim Recherchieren stoße ich soeben darauf, dass Plautzenotto sogar ein Lied über Schlacke gemacht hat. Es gibt wirklich nichts, das es nicht gibt.
Es folgt die Punker:Innenolympiade. Ich dachte zunächst, diese würde drinnen stattfinden, wie es sich für eine Innenolympiade gehört, aber Pustekuchen. Bestimmt dachten das einige. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird deswegen fortan von der Punkolympiade gesprochen. In der treten mehrere Teams in verschiedenen Disziplinen, die meistens nach Saufsongs benannt sind, an.
Ich sach ma, das ist teilweise amüsant, in der Länge aber auch irgendwann öde. Das Prinzip von Saufspielen hab ich eh noch nie verstanden - auch wenn es hier nicht immer ums Saufen ging, sondern eher darum, sich zum Horst zu machen. Falls euch die Ergebnisse interessieren: Am Ende hat ein Team gewonnen, die anderen nicht. Wobei, ich glaube die anderen haben auch was gewonnen. Unsere Nachbar*innen kommen jedenfalls mit Siegerlächeln und einer frisch gewonnenen Raviolidose zurück.
So, Zeit für die erste Band! HÖRZU! nennt sich diese, nicht zu verwechseln mit der Krefelder Hiphop-Truppe oder der Fernsehzeitschrift. Zu hören gibt es, ich sach ma, Straßenmusik und wenn ich die Auslegware am Merchstand richtig interpretiere, sind sie auch Teil der Rotzfrechen Asphaltkultur.
Musik ist halt so Akustik-Folk-Kram. Die Texte sind ganz cool, witzig und voller Pointen, ohne ins Klamaukige abzudriften. Besungen und kritisiert werden meist gesellschaftliche Normen und Strukturen. In Erinnerung geblieben ist mir ein Song über das Ablehnen von Ländergrenzen. Kann man so unterschreiben. Die Musik, ja, nett, aber nicht so ganz meins.
Für die letzten paar Lieder wächst die Band auf 4 Personen an und es gibt sogar ne Violine zu hören. Und einen Coversong: "Drei rote Pfiffe" von "Schmetterlinge" und ich glaube, ich bin die einzige Person im Zelt, die zuvor noch nie von diesem Lied und dieser Band gehört hat.
Weiter auf der großen Bühne mit CATBITEBACK! Kannte ich zuvor nicht, hatte auch nicht reingehört, und im Vorfeld erzählte man sich was von "Crossover" und "Guano Apes", was dazu führt, dass ich bei Auftrittsbeginn mit leicht angewinkelten Beinen vor der Bühne stehe, um schnell weglaufen zu können, wenn es zu schlimm wird.
Zu meiner eigenen Überraschung muss ich aber zugeben, das tatsächlich ganz geil zu finden! Und irgendwie auch erfrischender als die x-te Neogrunge-Kapelle, auch wenn das hier mindestens genauso 90er ist.
Oh, und es gab mal wieder Pyro. Kann mir bitte endlich mal jemand erklären, was daran ästhetisch sein soll? Alles stinkt, alles zugenebelt, man sieht die Bühne gar nicht mehr, was soll das? Ich lasse hier ein bisschen Platz, ihr könnt ja einfach mal mit Edding eure Argumente für Bengalos auf Konzerten niederschreiben:
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Zurück zur Band. CATBITEBACK erinnern mich an einigen Stellen sogar an Rage Against The Machine (und weniger an Guano Apes), dazu kommt auch, dass durchweg Message versprüht wird. Gegen Faschos, für die Revolution und natürlich für Feminismus. Sympathisch kommen sie auch rüber. Lange scheint es die Band noch nicht zu geben, ihre Aufnahmen gibt es lediglich auf selbstgebrannter CD - oder eben bei Bandcamp.
Zurück ins Zelt, wo nun CONCRETE LIPSTICK an der Reihe sind! Letztens erst beim Rock am Kuhteich verpasst, heute meine zweite Chance, nutze ich dann mal. Die drei Dresdner servieren 77er Garage-Punk und sind dabei deutlich rock'n'rolliger unterwegs als erwartet.
Schön flott und durchaus tanzbar, kann man sich gut geben. Außerdem die erste reine All-Male-Band des Tages. Glaube ich zumindest, will da niemanden zu nahe treten.
Das Zirkuszelt wird ja vor allem gehalten durch diese eine tragende Stange in der Mitte. Richtig gute Idee also, an dieser beständig zu rütteln, sich daran hochzuziehen, gegen zu rennen und so weiter. Die Stangentänzer werden aber direkt zu Zwischenwasser verdonnert.
Draußen geht es nun weiter mit DON KANAILLE. Den Namen hab ich schon mal gelesen, klang mir immer zu funpunkig, deswegen nie weiter mit auseinander gesetzt. So sehr funpunkig ist der Auftritt aber gar nicht. Eher Deutschpunk, wenn man denn so will in alter Schlachtrufe-Tradition
Zwei Sänger, die sich mal abwechseln und mal auch gemeinsam singen. Kommen wohl hier aus der Gegend, was den Zuspruch (inklusive Mitsingen) vor der Bühne erklärt. Mir hingegen gibt das nicht viel, ist halt "nett" irgendwie
Oh, schon wieder Pyro. Diesmal werden ganze Menschen angezündet. Warum weiß ich nicht, aber ist vermutlich nachhaltiger als die Dinger einfach nur so abbrennen zu lassen.
Wieder zur Zeltbühne und gespannt auf THEILEN warten! Die starten alsbald. Bisher tatsächlich erst einmal gesehen, damals während noch Pandemie herrschte, da ist son stickiges Zirkuszelt doch irgendwie angenehmer.
Die Musik von Theilen finde ich außerordentlich toll. Gute Texte mit Aussage, eingepackt in mitreißenden Deutschpunk, der auch mal Melodie zulässt, ohne sich zu sehr im studentischen Post-Punk zu verlieren. Allerdings kommen die Texte heute nicht ganz so gut rüber, stelle ich zumindest bei den neuen, mir noch nicht so vertrauten Songs fest.
Mittlerweile ist es dunkel, was fürs Zelt heißt: Naja, es ist halt dunkel. Hier wird eher auf passives Licht gesetzt und die Discokugel an der Decke überstrahlt nicht alles. Bisschen schade, aber für gute Fotos seid ihr bestimmt eh nicht hier.
Die Sommerschlacht hat noch eine heimliche dritte Bühne, nämlich die Schießbude oder Ballerbude. Hier wird sonst geschossen, und Blendenschüsse kosten 10 Euro, wie ein Hinweisschild verrät. Die Bands stehen zwar auf dem Flyer, aber nicht auf dem Zeitplan, und die Reihenfolge wird vor Ort ausgewürfelt. Muss man also Glück haben, gerade reinzuschauen, wenn was spielt. POSTEA sollten wohl eigentlich zeitgleich mit Theilen anfangen, zum Glück wurde sich kurz vorher noch abgesprochen, so dass wir nach Theilen rüberwuschen können.
Rüberwuschen heißt: Erstmal irgendwie reinkommen und nen Platz finden, von dem man überhaupt nen Blick auf die Bühne erhaschen kann. Es ist nämlich ordentlich voll hier drinnen! POSTEA sind nicht etwa die Schwesternband von Briefbombe, sondern eine Post-Blackened-Hardcore-Crust-Band aus Tschechien. Die soeben vorgenommene Aneinanderreihung von Musikstilen war vollkommen willkürlich, das sind alles Genres von denen ich keine Ahnung habe, hoffe aber einfach mal, dass es das beschreibt, was wir zu hören bekommen.
Ich find's aber echt stark! Brachialer Gesang, fette Soundwand, aber auch sphärisch-melodische Parts die weit über das hinaus gehen, was viele andere Vertreter*innen der eben erwähnten Genres so von sich geben. Ordentliches Brett! Ich empfehle mal wieder, bei Bandcamp vorbei zu linsen.
Ach, es gibt übrigens noch ne vierte Bühne: Die Goa-Box ist eine telefonzellengroße Box, und was dort passiert, könnt ihr euch denken. Ich traue mich nicht rein.
Zurück zur großen Bühne! Hier lärmt mittlerweile ein Oiro-Nebenprojekt, das auf den Namen 100BLUMEN hört.
Mittlerweile echt schon häufiger gesehen, zuletzt beim Rock am Kuhteich, also hab ich dem nicht viel hinzu zu fügen. Der heutige Auftritt geht eher etwas an mir vorbei. Was hängen blieb: Dass Marci erzählte, wie er auf dem Parkplatz ins geöffnete Fenster eines Autos gefurzt hat und dieses daraufhin wegfuhr. Ob das auch nach Blumen geduftet hat?
Der Pyro-Counter steigt ins Unermessliche. Nächstes Mal bring ich selbstgebastelte "Waldbrandgefahr!"-Schilder mit.
Nochmal kurz in die Ballerbude gelinst, aber hier spielt noch nichts. Ursprünglich angesetzt waren mal ATOM ATOM, die aber (aus Gründen) wieder die Rückfahrt antraten. Hier seht ihr gerade SUPPE oder SVPPE beim Soundcheck. Sie werden leider parallel zu den Melmacs spielen, so dass ich erst wieder in die Ballerbude reinschaue, als SUPPE einen wirklich hart gefeierten Schlussakkord spielen und von der Bühne verschwinden. Schade. Schön und gut mit der Indoor-Bühne, aber parallel zu den guten Bands? Was soll das?
Thema gute Bands: THE MELMACS sind viel mehr als das, in meinen Augen und Ohren auf jeden Fall auf dem Treppchen der besten Livebands derzeit hierzulande. Echt jetzt! Die schaffen es, sowas abgehalftertem wie Garage-Punk noch dermaßen viel frische Note zu verschaffen, dass ich immer noch bei jedem Auftritt baff bin. Und auch der veröffentlichte Studio-Output ist großartig. Toll toll toll!
Immer noch dunkel hier drin. Macht nix, die Discokugel flirrt bunte Dots auf die Anwesenden. Mindestens so bunt tanzen unsere Herzen zu den umwerfenden Stücken der Melmacs.
Ansagen darüber, dass insbesondere männliche Personen einfach mehr zuhören sollten. Richtig so. Das lässt mich schon wieder an die Punk-as-F*ck-Lesung von heute Mittag denken: Da kommt ein Buch mit über 400 Seiten raus und immer noch gibt es Leute, die nicht glauben wollen, dass Männer halt einfach privilegiert in Szene und Gesellschaft sind.
Auch stark: Irgendwann fragt Bimmi, wer von den Personen hier denn noch nie ein Instrument gespielt hat. Die Freiwillige darf daraufhin ein Kazoo-Solo im nächsten Song performen. Voll schön! Also Kazoo jetzt weniger, aber so allgemein können doch ruhig mehr Leute Instrumente ergreifen und Bühnen erobern.
Nu aber raus an die frische Luft. Wie oben erwähnt, bekomme ich noch den allerletzten Ton von SUPPE mit, bevor es dann schließlich zur Hauptbühne zum allerletzten Act des Festivals geht: MESSED UP!
Letztes Jahr beim Ruhrpott Rodeo schon das Highlight gewesen, gibt's auch heute wieder die volle Breitseite. Heute nachmittag haben sie schon beim Wutzrock gespielt, servieren also nun schon den zweiten Auftritt an einem Tag. Und anders als sie uns weismachen wollen, stecken sie immer noch voller Energie.
Macht megamäßig Bock. Laut, wütend, schnell, rabiat und doch total mitreißend, wer sich dazu nicht bewegt ist ein Vakuum! Die belarussische Band ist wohnhaft in Polen und hat mittlerweile (endlich) ne Schlagzeugerin gefunden, die übrigens aus der Ukraine kommt.
Ansagen immer tief im Sud der gesellschaftlichen Missstände, so geht es auch um eingesperrte Aktivist*innen in Belarus und anderswo, und darum sich niemals unterkriegen zu lassen. Alles so wütend, authentisch und energisch, das entfacht so einige Revolutionsfeuer, ich sag es euch!
Wie gesagt, war das auch schon die letzte Band. Gingen erstaunlich schnell rum die beiden Tage. Im Anschluss legt noch DJ Tofuwabohu die heißesten Hits der letzten Punkjahrzehnte auf (wobei ich mir nicht sicher bin, ob da nicht doch einfach nur ne Playlist läuft), bis es schließlich irgendwann ins Bettchen geht.
Nächster Morgen! Es gibt immer noch Frühstück auf dem Platz, in den Morgenstunden ist es sogar einigermaßen ruhig hier. Um 10 bringt uns der kostenlose Shuttlebus zum Bahnhof. Einfach toller Service hier!
Hier auch noch ein Service, falls ihr wissen wollt, wie ihr die nächsten Wochenenden gestalten wollt. So Festivalplakatwände sind immer schöne Lektüre!
Und wir machen uns auf den Heimweg. Wie es sich gehört, standesgemäß mit der Yacht. Oder war es doch das Tretboot?