Akne Kid Joe, Black Square, Kommando Schimmelkotze, 08.10.2021 in Darmstadt, Kulturwiese - Bericht von Fö
Akne Kid Joe, 08.10.2021 in Darmstadt
Ich hatte ja bei dem Namen "Kulturwiese" irgendwas protziges Städtisches erwartet, aber als wir den ersten Blick auf die Lokalität erhaschen, wird klar, dass das heute eher im DIY-Rahmen stattfindet. Sehr cool! Auf Anhieb sehr sympathisch das alles, einfach ne Wiese mit ner Bühne drauf und ein paar Ständen. Zusätzlich zum Impfzertifikat brauchen wir noch nen Schnelltest, was ich, zumindest solange dieser noch bezahlbar bis umsonst ist, auch sehr gut finde. Etwas länger brauchen wir dann lediglich, bis unsere Ticket-QR-Codes durch die scannerlose Kontrolle gelaufen sind.
Erste Band: KOMMANDO SCHIMMELKOTZE! Kommen wohl hier aus Darmstadt und haben bereits aufgrund des Namens voll gewonnen. Kann nur gut sein! Ich hatte auch total vergessen dass ich die sogar schon mal gesehen hab, irgendwann mit Knochenfabrik in Köln, aber irgendwie hat sich lediglich der Name eingebrannt. Wobei ich den auch immer mit Trainingseinheit Katzenkotze verwechsel. Ach ey, Deutschpunk is schon geil!
Geliefert bekommen wir astreinen schimmeligen kotzigen Deutschpunk, bei dem sich tatsächlich leicht nostalgische Gefühle einstellen, ist das doch alles so wunderbar wenig anbiedernd und ohne irgendwelche modernen Einflüsse. Man könnte auch sagen, klischeebehaftet, aber das würde jetzt zu negativ klingen. Ich finds tatsächlich sehr cool!
Die Lieder decken alle wichtigen Themen ab. Saufen, gegen Bullen, sowas halt. Das alles recht energisch und angepisst vorgetragen. Total toll!
Puh, ich weiß nicht ob man das auf diesem Foto erkennt, aber es soll zur Dokumentation einer zusätzlichen Hygienemaßnahme dienen: Direkt vor der Bühne wird es begrüßt, wenn sich dort nur mit Mund-Nasen-Schutz aufgehalten wird. Dafür kann dort dann auch ausgiebiger getanzt werden. Gleichzeitig dient das Schild auch als Halterung für einen improvisierten Aschenbecher. Gut mitgedacht!
Anschließend geht es weiter mit BLACK SQUARE! Jetzt auch schon ne Weile her (2 Monate, um genau zu sein) und dass wir uns ausgerechnet in Darmstadt wiedertreffen, hätte ich eigentlich auch nicht gedacht, kommen sie doch aus dem Ruhrgebiet. Passen aber hier auf jeden Fall gut rein.
Zu hören gibt es Hardcore-Punk, was zwar eine treffende, aber auch ebenso ungenaue Kategorisierung ist. Sorry! Die als Duo gegründete Band will in puncto Live-Besetzung ein etwas offeneres Konzept fahren, ohne sich dabei zu limitieren. Fast schon eine Konstante ist Schlagzeugerin Anna, also im Grunde die gleiche Besetzung, in der ich die Band schon in Kusel gesehen hatte.
Ansonsten macht sich echt bemerkbar, dass sich seit Kusel (dem ersten öffentlichen Auftritt) einiges getan hat und vielleicht auch 2-3 Proben mehr dazwischen lagen. Nicht dass es damals schlecht war, aber heute entfacht sich wirklich sehr ordentlicher Druck, wirkt alles sehr stimmig und knallt gleichermaßen. Will ich jetzt nicht zu hoch bewerten, aber wenn sogar mir als totalem Musiktechnikbanause sowas auffällt, habe ich natürlich das Bedürfnis, das auch zu notieren.
Konzept aber wie gehabt: Zwischen den Songs gibt es sehr ausführliche Ansagen von Fini zu den behandelten Themen, die deutlich über parolenbehaftetes Runtergeseier hinausgehen. Das sagt, wie sich aus dem Pankdemic-Bericht herauslesen lässt, nicht unbedingt allen zu. Ich finds, gerade wegen der Ausführlichkeit, sehr ansprechend, auch wenn es immer wieder den Musikfluss unterbricht. Aber gerade der Detailreichtum bringt halt doch nen Mehrwert, vermutlich haben hier vor Ort noch nicht alle Anwesenden gehört, was so scheiße am Versammlungsgesetz NRW ist (oder wird) (oder werden könnte), das bringt dann doch deutlich mehr Futter als nur ne weitere Ansage gegen Bullen.
Auch sonst bleibt die Band wütend, das Themensprektrum breite ich jetzt nicht nochmal aus, aber irgendwie lässt sich doch alles unterschreiben. Oh, eine Ansage mit positiver Grundstimmung gab es aber auch: über Szene-Menschen, die auch in schwierigen Zeiten Engagement zeigen, den Arsch hochkriegen, politische Standpunkte setzen oder einfach die Kultur am Leben halten. So. und damit kommen wir zurück zur Musik: die war tatsächlich mitreißend und hat einige geballte Fäuste und zuckende Beine hinterlassen. Schöner Auftritt!
Kurz darauf stehen auch schon die Lieblinge des Feuilletons auf der Bühne! Im Gepäck haben AKNE KID JOE ihr bereits zweites Pandemie-Album, wie sie erzählen. Puh, ja, stimmt tatsächlich. Zwei Alben innerhalb einer Pandemie, ich weiß nicht ob das rekordverdächtig ist, aber da kann man ja mal das Guinness-Buch dran setzen. Kleine Zwischenfrage: Meint ihr, dass Pandemien zukünftig eher kürzer oder länger dauern werden?
Zuletzt gesehen tatsächlich vor ungefähr genau nem Jahr in Osnabrück, damals gab es Biertische und Regen, und trotzdem war es ein wunderbares Konzert. Heute auch, nur ohne Biertische und ohne Regen. Das nennt man wohl konstante Steigerung.
Der Platz vor der Bühne wird direkt etwas mehr in Beschlag genommen als bei den vorherigen Bands, aber insgesamt alles noch sehr in angenehmem Rahmen. War aber schön zu sehen, wie ausschweifend die Leute tanzen können und damit alle Behauptungen, Masken würden uns die Freiheit wegnehmen, ad absurdum führen.
Sänger Matti erzählt, dass er vorhin beim Pinkeln jemandem ausversehen das Bier umgestoßen hat und verspricht, ein neues auszugeben. Ehrenmann. Leider melden sich daraufhin sehr viele Leute, deren Bier angeblich umgestoßen wurde. Eine Besucherin meldet sich fortan sehr oft, wenn Fragen ans Publikum gerichtet werden, was zum Running Gag des Abends mutierte. Auch wenn sie sich bei der Frage "Wer war schon mal bei Rock im Park?" nicht melden wollte. Oder war es bei der Frage nach der SozPäd-Quote?
Und weiter geht's mit einem spritzigen Feuerwerk ihrer größten Hits. Entschuldigung, diesen einen Satz wollt ich schon immer mal schreiben. Mit drei Alben im Gepäck können sie aber wirklich auf ein gutes Repertoire zurückgreifen. Danke fürs Gespräch, What AfD thinks we do, Sarah (Frau, auch in ner Band), Ein Morgen ohne Deutschland, Julia ("na, wer hier kennt Julia Engelmann?"). Ja genau, sowas halt. Alles was die Lebensrealität linksradikaler Hipster halt so hergibt!
Ich sach ma so: 1A Konzert, Quality Time, 5 Sterne, gerne wieder. Und ein bisschen witzig sind sie dabei auch. Heute fällt mir auf, dass Peter ja sogar relativ häufig zum Bass greift, war mir gar nicht bewusst. Bei einem Song ist es total eskaliert, als Sarah nicht nur Gitarre gespielt, sondern zwischendurch auch irgendson Klimperkram aufm Synthie gemacht hat. Hab mich fast wie auf nem Progrock-Konzert gefühlt, oder wie im Musikstudium! Nur die Sitar wurde nicht ausgepackt.
Im Pressetext zur Band wird übrigens nicht nur Bierschinken zitiert, sondern auch die Behauptung aufgestellt, es gäbe 10% Pyrotechnik. Ich hab mich ja echt gefragt, was damit gemeint ist. Aber hier, ey, ich hab's für euch festgehalten! Wunderschön! Da können Bayern München, St. Pauli und Die Toten Hosen aber einpacken.
Achja, beste Zugabe wo gibt: Give never up a fight! Riesenhit mit unfassbarem Gitarrensolo. Ich bin sehr glücklich. Anschließend zelebrieren wir noch ein wenig das never a fight up given, frieren uns dabei aber die Füße wund (kann wer ahnen, dass es mittlerweile draußen nachts so dermaßen kalt wird?) und können schließlich glücklich von dannen ziehen.